Studie zum nachhaltigen Wohnungs- und Städtebau Experten: Klimaschutz auch beim Bauen nicht verschieben

Berlin · Die Nachfrage nach Wohnraum in Deutschland ist groß. Doch bezahlbar sollte er sein – und nachhaltig. Das muss sich laut einer Studie des Umweltbundesamtes aber nicht zwangsläufig ausschließen.

 Die Bundesministerinnen für Umwelt und Bauen, Grünen-Politikerin Steffi Lemke (l.) und Klara Geywitz (SPD), betonen die Relevanz des Klimaschutzes im Bausektor.

Die Bundesministerinnen für Umwelt und Bauen, Grünen-Politikerin Steffi Lemke (l.) und Klara Geywitz (SPD), betonen die Relevanz des Klimaschutzes im Bausektor.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die Liste an Herausforderungen im Wohnungs- und Städtebau ist lang: Die Wohnungsnot wird immer größer, während Baupreise und Mieten rasant steigen, Fachkräfte fehlen und der Platz immer knapper wird. Da rückt die Frage nach dem Klimaschutz im Bausektor oftmals in den Hintergrund. Dabei müssen sich Nachhaltigkeit und bezahlbarer Wohnraum nicht ausschließen, wie eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) verdeutlicht. Gemeinsam mit der Kommission Nachhaltiges Bauen (KNBau) und den Bundesministerinnen für Umwelt und Bauen, Steffi Lemke (Grüne) und Klara Geywitz (SPD), stellte die Behörde am Montag in Berlin Empfehlungen für nachhaltigen Wohnungs- und Städtebau vor.

„Ohne den Fokus auf Stadtentwicklung kann Klimaschutz nicht gelingen“, betonte Dirk Messner, Präsident des UBA. Rund 35 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland seien auf Errichtung, Erhalt und Betrieb von Gebäuden zurückzuführen. Gleichzeitig entfielen 55 Prozent des gesamten deutschen Abfallaufkommens auf Bau- und Abbruchabfälle. Messner warnte deshalb davor, den Klimaschutz im Bausektor wegen anderer Herausforderungen wie der Energiekrise erneut zu verzögern. „Was wir jetzt an Innovationen aufschieben, das schieben wir um Dekaden auf“, so Messner.

Zum Erreichen der Klimaziele sei ein Paradigmenwechsel nötig. Um das Ziel zu erreichen, empfehlen die Experten unter anderem die Anpassung von Rechtsgrundlagen, wie den Bauordnungen. Weitere Stellschrauben seien eine Solarpanel-Pflicht auf Dächern, das Recyceln von Baustoffen sowie die Reduzierung von Schadstoffen und die Entwicklung von grünen Städten. Der Fokus der Studie liegt auf dem Flächenverbrauch. Pro Tag würden aktuell rund 54 Hektar an Fläche versiegelt. „Das sind umgerechnet 76 Fußballfelder“, betonte Lemke. Damit gehe nicht nur landwirtschaftliche Nutzfläche verloren, sondern auch Raum für Biodiversität und Wasserspeicher. Beides sei angesichts der klimatischen Veränderungen von großer Bedeutung.

Deshalb müsse die Wahrung des Gebäudebestands vor dem Neubau liegen. „Jedes Gebäude und jedes Bauteil, was weiter genutzt wird, muss nicht recycelt werden“, sagte die Grünen-Politikerin. Geywitz verwies auf den Leerstand von 1,7 Millionen Wohnungen. Es sei wichtig, dieses „schon gebaute Volumen“ mehr in den Blick zu nehmen. Die Ausgestaltung eines guten und attraktiven ÖPNV könne zusätzlich helfen, den Leerstand in Deutschland nutzbar zu machen.

Geywitz betonte auch die soziale Komponente des nachhaltigen Wohnungs- und Städtebaus: Beim Bauen auf Klimastandards zu verzichten, sei schon auf kurze Sicht unrentabel und schade nachfolgenden Generationen. Eine Fassadenbegrünung sei nicht teuer, und auch Solarpanel erfreuten sich schon jetzt großer Beliebtheit, sagte die Bauministerin. Man sollte nicht zuerst auf die Kosten schauen, sondern auf die Gewinne, die durch solche Veränderungen erzielt werden, ergänzte Lemke.

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