Kolumne: Berliner Republik Das Ende der Konsens-Demokratie

Jahrelang haben sich die Deutschen wohlgefühlt, dass eine CDU-Kanzlerin SPD-Politik macht. Mit der Entscheidung von Thüringen trennen sich die Lager aber wieder schärfer.

Wahlen werden in der Mitte gewonnen - das ist so ein Satz aus dem politischen Lehrbuch, der seit Jahren zu der kuriosen Situation führt, dass alle Parteien rufen: Wir sind die Mitte. CDU und SPD durchliefen im Wettkampf um die Mitte einen Prozess, wie man ihn oft bei alten Ehepaaren oder bei Hund und Herrchen findet: Man wird sich immer ähnlicher. Zum kleinen Einmaleins der Machtpolitik gehört auch die Weisheit, dass die politischen Ränder wachsen, wenn sich in der Mitte zu viel Macht versammelt. Dieses Phänomen ist mit der Machtübernahme der Linkspartei in Thüringen und dem Erstarken der AfD deutlich zu erkennen.

Die Stärke am rechten und am linken politischen Rand lassen die Volksparteien ganz offensichtlich nicht kalt. Vielmehr führen die Erfolge der kleinen radikalen Parteien auch zu einem Umdenken in den Volksparteien. Man besinnt sich wieder auf seine eigenen geistesgeschichtlichen Wurzeln, die eben politisch rechts oder links zu verorten sind. Es war der Siegeszug der Linkspartei, der die SPD dazu brachte, gründlich mit Gerhard Schröders Agenda 2010 abzurechnen und sich selbst wieder weiter links zu positionieren. Mindestlohn und Rente ab 63 sind Ergebnisse dieser Entwicklung. Nun könnte es die Stärke der AfD sein, die die CDU wirtschaftspolitisch wieder nach weniger Staat, innenpolitisch wieder nach mehr Staat und gesellschaftspolitisch nach Orientierung rufen lässt.

Mit dem Linksbündnis in Thüringen zieht das alte Lagerdenken wieder in den Alltag der Politik ein. Seit Jahren war das Feld so aufgeteilt, dass die SPD mit den Grünen koaliert und die CDU mit der FDP. Mit Thüringen hat sich die Siuation verändert. Das Linksbündnis ist der Anfang vom Ende der Konsens-Demokratie in unserem Land. Die Tonlage verschärft sich wieder. Der Trend ist, dass künftig wieder mehr gehört wird, wer klares Profil zeigt. Daher kann der CDU nur geraten werden, beim Parteitag Flagge zu zeigen.

Auch wenn die Konsens-Demokratie gerade aus der Mode kommt, ist das demokratische System keineswegs in Gefahr. Vielmehr beweist es Selbstreinigungskraft. Die Macht der großen Koalition ist überbordend, und der kleinen Opposition im Bundestag fehlt es an Ideen, dem etwas entgegenzusetzen. Daher entsteht das Gegengewicht in den Ländern.

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(RP)
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