Berliner Republik Delegierte auf fünf Etagen

Berlin · Die Bundesversammlung hat verdeutlicht, wie dringend eine Wahlrechtsreform ist. Die Wahl sprengte am Sonntag alle bisherigen Dimensionen.

 Die Bundesversammlung am Sonntag in Berlin.

Die Bundesversammlung am Sonntag in Berlin.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

So etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Nie zuvor zählte eine Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten so viele Delegierte. Mehr als 1400 Wahlfrauen und -männer gaben am Sonntag ihre Stimme ab; Frank-Walter Steinmeier wurde mit breiter Mehrheit für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Technisch lief alles glatt, trotz schwieriger Corona-Bedingungen. Denn zur Rekordzahl der Delegierten kamen die Abstandsregeln. Ausnahmsweise musste das große Paul-Löbe-Haus im Berliner Regierungsviertel der Bundesversammlung Obdach bieten.

Doch selbst ohne Pandemie-Bedingungen, so fürchteten Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung vor Monaten, hätte es im Reichstagsgebäude zu eng werden können, wo üblicherweise die Bundesversammlung zusammentritt. Der Grund: Noch nie gab es mehr Bundestagsabgeordnete als heute. Die vorgesehene Größe des Parlaments liegt bei 598 Abgeordneten, seit der vergangenen Bundestagswahl sind es jedoch 736. Noch einmal so viele Delegierte kamen aus den Ländern hinzu, das sprengte am Sonntag alle bisherigen Dimensionen.

Und auch wenn die Bundestagsverwaltung gute Arbeit geleistet hatte, um diese Wahl so reibungslos zu ermöglichen, machten die Bilder von Delegierten auf fünf Stockwerken schonungslos klar, wie dringend es ist mit der Wahlrechtsreform. Was die Fraktionen in der vergangenen Legislaturperiode bewusst verschlafen haben, muss in den kommenden vier Jahren schleunigst nachgeholt werden. Es ist ein dickes Brett, das Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) mit den Fraktionen bohren will. Doch es kann nicht sein, dass der Bundestag mit jeder Wahl wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten immer noch größer wird. Die Bilder von der Bundesversammlung zeigten eine ehrwürdige Tradition deutscher Demokratie. Sie zeigten aber auch, dass unser Wahlrecht, um das uns viele Menschen zu Recht beneiden, ab und zu wichtige Korrekturen braucht, damit das Parlament arbeitsfähig bleiben kann.

Unser Autor ist stellvertretender Leiter des Berliner Parlamentsbüros. Er wechselt sich hier mit unserer Bürochefin Kerstin Münstermann ab.

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