Wahlwiederholung in Berlin Der zweite Anlauf klappt

Berlin · Alle Augen richteten sich am Sonntag auf Berlin. Nach der Pannen-Wahl im September 2021 wurden die Bürger und Bürgerinnen erneut zur Urne gebeten. Warum eine Mülltonne für Aufsehen sorgte.

Eine schwarze Mülltonne steht im Wahllokal 505. „Wahlurne“ steht in großen Druckbuchstaben darauf geschrieben. „Dieses Mal kann man die Stimme also direkt wegwerfen“, scherzen einige Bürger und Bürgerinnen in Berlin Friedrichshain. Die meisten nehmen es mit Humor. Ein befremdliches Gefühl bleibt jedoch. Wird es wieder eine Wahl für die Tonne? Oder bleiben die Pannen dieses Mal aus? Gespannt blicken die Menschen in die Hauptstadt, wo zum zweiten Mal in weniger als anderthalb Jahren gewählt wird. Nachdem das Berliner Verfassungsgericht die vergangene Wahl für ungültig erklärt hat, mussten die Berliner und Berlinerinnen am 12. Februar erneut über die Abgeordneten und Vertreter ihrer Bezirke abstimmen.

Damit die Wahl dieses Mal gelingt, wurden im Vorfeld einige Vorkehrungen getroffen, wie Wahlvorsteher Stefan Lemburg berichtet. In den Wahllokalen in Berlin Mitte stehen anstatt zwei oder drei gleich fünf Wahlkabinen zur Verfügung, jeweils zehn Wahlhelfer überwachen den Ablauf und helfen bei Problemen. Jede Stunde wird kontrolliert, wie viele Menschen vor dem Lokal warten. Während sich vor dem nahe gelegenen Naturkundemuseum jedoch lange Schlangen bilden, bleiben diese vor den Wahllokalen in Berlin bei dieser Wahl aus.

Insgesamt 1437 Menschen seien in Lemburgs Bezirk wahlberechtigt, 554 hätten ihre Unterlagen bereits vor dem Wahltag erhalten. Bleiben noch 883 Bürger und Bürgerinnen, die am Sonntag bis 18 Uhr wählen können. Bis 14 Uhr haben im Wahllokal in der Hannoverschen Straße jedoch lediglich 312 Menschen ihr Stimme abgegeben. Auch in den anderen Bezirken zeichnet sich eine geringere Wahlbeteiligung ab. Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag laut den Prognosen bei 63,5 bis 65 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt. Über die Gründe lässt sich spekulieren. Viele Berlinerinnen und Berliner könnten nach der Pannen-Wahl 2021 frustriert und wenig motiviert sein, ihre Stimme abzugeben. Andere könnte das noch ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts verunsichern.

„Wir haben von vielen gehört, die gar nicht erst wählen gehen“, berichtet Wähler Bernd Giese. Obwohl ihm die Abgabe seiner Stimme zwar wichtig gewesen ist, rechnet auch er mit keinen politischen Veränderungen. Er empfindet die Neuwahlen als eine Farce. „Die Millionen Euro, die die Wahl gekostet hat, hätten sie lieber in die Schulen investieren sollen“, so Giese. Diese und ähnliche Reaktionen sind Christian Blome-Müller nicht fremd.

Der Wahlhelfer, der im Wahllokal 801 die Bürger und Bürgerinnen empfängt, hört am Sonntagmorgen oft die eine Frage: Warum müssen wir schon wieder wählen? Blome-Müller ist einer von insgesamt zwölf Wahlhelfern im Wahllokal in Pankow. Die Stimmung dort ist ausgelassen, das Team optimistisch. „Wir haben uns hier viele Gedanken gemacht, angefangen von dem Aufbau bis hin zur Beschilderung“, berichtet Wahlvorsteher Georg Dahm. Die Vorbereitung zahlt sich aus, von Pannen kann er am Sonntag Mittag nicht berichten.

Auch Landeswahlleiter Stephan Bröchler zeigt sich zuversichtlich. „Bislang ist alles im grünen Bereich“, sagt Bröchler am frühen Nachmittag. Von einer „fehlerlosen Wahl“ will er jedoch nicht sprechen, die gebe es schlichtweg nicht. Deswegen spreche Bröchler lieber von einer „reibungsarmen Wahl“. Kleinere Wahlfehler schließt er also auch dieses Mal nicht aus, strukturelle Fehler wie 2021 aber schon. Diese reichten von Stimmzetteln, die nicht ausgegeben wurden oder falsch waren, über zu wenige Wahlurnen bis hin zu langen Schlangen vor den Wahllokalen mit teils stundenlangen Wartezeiten.

Die Vorbereitung bleibt nicht unbemerkt. „Das ist ja alles super organisiert“, sagt eine Wählerin überrascht. Und auch die Wahl selbst wird durchaus positiv wahrgenommen. „Ich finde es gut, dass die Demokratie gewahrt wird“, lobt Marvin Wagner. Auf seine eigene Stimmabgabe habe die Wiederholung nur eine minimale Auswirkung, dennoch rechnet er mit einer großen Veränderung. „Ich kenne viele aus meinem Umfeld, die dieses Mal anders wählen“, sagt der Wähler aus Berlin Mitte.

Wie sich die Stimmung der Berliner in den Zahlen widerspiegelt, zeigt sich am Ende des Abends. Da es sich nicht um eine Neuwahl handelt, ändert sich nichts an der Legislaturperiode. Sie endet dementsprechend 2026, also fünf Jahre nach der Wahl 2021. Dass die Wahl jedoch nicht für die Tonne sein wird, stellte man schon heute Nachmittag klar: Im Wahllokal 505 wurde die umfunktionierte Mülltonne gegen eine hellgraue, neutrale Wahlurne getauscht.

(jus/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort