Berliner Republik Wie Kanzler ihr Geschichtsbild pflegen
Meinung · Angela Merkel hat die Arbeit an ihrem Geschichtsbild begonnen. Wie sehr wird sie beeinflussen können, was die Nachwelt von ihr hält?
Fast ein Jahr ist es her, dass sich Angela Merkel nach 16 Jahren im Kanzleramt verabschiedet hat. Während ihrer aktiven Zeit hat sie Fragen nach ihrem politischen Vermächtnis barsch abgebürstet. Das interessiere sie nicht, sie habe hier und heute Politik zu machen.
Das war natürlich Quatsch. Jeder Kanzler interessiert sich für sein Bild in der Geschichte. Dumm allerdings, dass darüber zum einen die Zeitläufte und zum anderen die Historiker befinden - und sich alles meist erst Jahre und Jahrzehnte nach Ablauf der Amtszeit als Bild verfestigt.
Dennoch sind die Altkanzler nicht machtlos. Anders als ihre unmittelbaren Vorgänger Gerhard Schröder und Helmut Kohl hat sie das wichtigste bislang schon mal geschafft und ihre persönliche Integrität behalten: keine Übernahme von hochdotierten Stiftungs- oder Aufsichtsratsmandaten zwielichtiger Organisationen oder anderes, was den Ruf in Verruf bringt.
Ein weiterer Einflusshebel ist Zugang: Zwei weitgehend als „freundlich“ ihr gegenüber gewertete Magazin-Titelgeschichten sind so zum ersten Jahrestag erschienen. Der nächste Schritt wäre nun die Auswahl eines Historikers für den üblichen 1000-Seiten-Wälzer über die Amtszeit. Merkel aber schreibt erst mal selber, zusammen mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann. So kann sie einen Rahmen für die spätere historische Aufarbeitung setzen.
Wie die dann ausfällt, darüber hat Merkel keine Kontrolle mehr. Es gibt da aber eine Geheimwaffe, abzuschauen bei ihrem Vor-Vor-Vorgänger Helmut Schmidt: Langlebigkeit.
Mit jedem der fast vier Lebensjahrzehnte, die der Hamburger außer Dienst war, stieg gefühlt die Zahl derer, die ihn hochachtungsvoll als „Elder Statesmen“ würdigten. Merkel selbst ist zwar schon 68, hat als Frau aber rein statistisch eine höhere Lebenserwartung als Männer. Ihr 100. Geburtstag wäre dann am 17. Juli 2054.