Kolumne Berliner Republik Angela Merkel ist ihr eigenes Kompetenzteam

Berlin · Mit Thomas de Maizière gerät nun auch Merkels konservativer Allrounder ins Abseits. Im Wahlkampf-Finale ist die Kanzlerin auf sich alleine gestellt. Spielverzögerung heißt ihre Devise.

Merkel erhält Ehrendoktorwürde in Nimwegen
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Immer wieder montags stellt der sozialdemokratische Cheftrainer Peer Steinbrück ein neues Mitglied seiner Elf für das Finale um die politische Champions League vor. Es geht um den Einzug ins Kanzleramt. Königsklasse. "Kompetenzteam" nennt Steinbrück seine Aufstellung. Drei wendige Offensivkräfte (Thomas Oppermann, Matthias Machnig, Karl Lauterbach), einen linken Flügelspieler (Florian Pronold), einen robusten Abräumer vor der Abwehr (Klaus Wiesehügel) und eine Kreativspielerin (Gesche Joost) hat Steinbrück offenbar schon gefunden, mehrere Stürmer sollen folgen. Die Herausforderer in den roten Trikots sind also fast komplett.

Doch was tut sich beim Gegner, den Hausherren? Nichts. Das Team Merkel besteht bislang nur aus Angela Merkel selbst. Sicher, die zweifache deutsche Meisterin ist ligaerfahren und international geschult. Doch zugleich Torfrau, Verteidigerin, Mittelfeldstrategin, Vorbereiterin und Vollstreckerin zu sein, ist selbst für einen Weltstar anspruchsvoll. Merkels Dilemma: Ihr fehlen die Mitspieler. Die sitzen derzeit entweder abgekämpft auf der Auswechselbank (Ursula von der Leyen), stehen aufgrund ihres Alters höchstens noch als Joker zur Verfügung (Wolfgang Schäuble) oder wurden mangels Talent gar nicht für das Finale nominiert (Kristina Schröder, Volker Bouffier).

Wiederum andere sind wegen eklatanter Fehlpässe aus dem Kader geflogen (Norbert Röttgen), müssen nach schweren Taktikfehlern zunächst in der Amateurliga aushelfen (David McAllister) oder sitzen wegen Tätlichkeit ihre Strafe ab (Karl-Theodor zu Guttenberg, Annette Schavan). Nun ist der Spielführerin ausgerechnet vier Monate vor dem Finale auch noch der bislang solide arbeitende Mittelfeld-Allrounder Thomas de Maizière abhandengekommen. Kein klassischer Torjäger, doch der emsige Arbeiter war immer für einen überraschenden Vorstoß über die rechte Seite gut. Mit seiner eigenwilligen Spielmethode hat sich der Vizekapitän nun ins Abseits gedribbelt. Merkel droht ihm zwar nicht mit Auswechslung, doch ist de Maizière in seiner aktuellen Verfassung keine Verstärkung.

Was bleibt der Kanzlerin also übrig? Sie spielt auf Zeit, versucht, mit formalen Tricks den Anpfiff für das Wahlkampf-Spiel hinauszuzögern. Internationale Freundschaftsspiele werden terminiert. China und USA werden als Sparringspartner geladen. Bloß keine Schwergewichte. Am liebsten wäre Merkel, das Finale würde am grünen Tisch entschieden. Da wird bekanntlich nicht gerannt und gekämpft, sondern verhandelt. Das käme der Kanzlerin entgegen. Besonders spielfreudig ist Merkel bekanntlich nicht.

(brö)
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