Wirbel im Berliner Bezirk Pankow Hievte die AfD einen Linken-Bürgermeister ins Amt?

Berlin · Haben nun SPD und Linke den „Tabubruch“ wiederholt, den sie vor anderthalb Jahren FDP und CDU in Thüringen vorhielten? Seinerzeit ließ sich Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen zum Regierungschef wählen. Dieses Mal sagt die AfD in Pankow, sie habe dem Linken-Kandidaten zum Posten als Bezirksbürgermeister verholfen.

 Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn von den Linken (Archivfoto vom März 2020).

Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn von den Linken (Archivfoto vom März 2020).

Foto: dpa/Corinna Schwanhold

Nach den Wahlen zum Bezirksbürgermeister in Berlins größtem Stadtteil Pankow müssen sich Linke und SPD bohrenden Fragen stellen: Haben sie in Berlin selbst genau das wiederholt, was sie in Thüringen aufs Schärfste verurteilten? Während in Erfurt die Linken-Fraktionschefin dem gewählten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) wegen der offensichtlichen und entscheidenden AfD-Unterstützung die Blumen vor die Füße schmiss, bekam der Linken-Bezirksbürgermeister Sören Benn die Blumen der Genossen in die Hand. Doch auch hier erklärte die AfD, dem Minderheitskandidaten ins Amt verholfen zu haben.

Eigentlich hatten sich die Pankower auf eine Grünen-Bezirksbürgermeisterin eingestellt. Cordelia Kochs Grüne waren mit 24,7 Prozent klare Wahlsieger geworden. Deutlich vor den Linken des bisherigen Amtsinhabers Sören Benn mit 19,4 Prozent und erst recht vor der SPD mit 17,1 Prozent. Doch das Angebot der Grünen, wie auf Landesebene auch in Pankow ein Bündnis aus Grünen, SPD und Linken zu schmieden, lehnten SPD und Linke ab. Allerdings fehlten ihnen alleine fünf Stimmen zur Mehrheit. Am Ende des geheimen Wahlganges hatten sie sogar sechs von anderen Parteien bekommen. Da Grüne (16 Stimmen), CDU (acht) und FDP (drei) zuvor angekündigt hatten, nicht für Benn zu stimmen, die AfD (fünf) hinterher erklärte, ihn gewählt zu haben, ist leicht zu ergründen, wie Linke (zwölf) und SPD (elf) auf zusammen 29 Ja-Stimmen bei 24 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen kamen: Der Thüringen-Moment in Pankow. Nur dass dieses Mal der (liberale) Gewählte nicht betreten den Rückzug antrat, sondern der (linke) Gewählte erklärte, es sei eine geheime Wahl gewesen und er gehe davon aus, von demokratischen Mitgliedern der Bezirksverordnetenversammlung gewählt worden zu sein. Auf diese Ausrede hatten die Abstimmungssieger in Erfurt schnell verzichtet.

Der Vorgang schlug auch bundesweit hohe Wellen. „Dass SPD und Linke die AfD zum Steigbügelhalter aufwerten, ist nicht nur eine Schande, sondern auch an Heuchelei kaum zu überbieten“, sagte der stellvertretende CSU-Generalsekretär Florian Hahn unserer Redaktion. Beide Parteien seien die ersten, die mit den Fingern auf andere zeigten - und anscheinend auch die ersten, wenn man um der Macht willen mit der AfD paktiere. „Das linke Lager reißt damit die eigenen Hürden mutwillig ein“, kritisierte der CSU-Politiker. Wer die AfD bekämpfen wolle, müsse „eine klare Haltung haben“.

Auch der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner meldete sich zu Wort und machte klar: „Als Wahlverlierer sich von Rechtsextremen ins Amt verhelfen zu lassen, das macht man nicht“, twitterte der Grünen-Politiker. Die Pankower Linke meinte indes, es spreche nichts dafür, „warum eine Partei, die Faschisten in ihren Reihen hat, einen demokratischen Linksaußen politisch stützen sollte“. Im Netz wurden die aktuellen Äußerungen mit denen der Pankower Linken vom Februar vergangenen Jahres verglichen, in denen sie gegen die Wahl von Kemmerich Front machten. „Jetzt kommt es auf uns alle an“, twitterten die Linken seinerzeit, und legten sich fest: „Keine Kooperation, nicht zur Stimmenbeschaffung oder für sonst was.“ Die Linke mietete seinerzeit Busse an, um zu einer Großdemo in Erfurt zu fahren und dort „gegen den Tabubruch in Thüringen“ zu protestieren.

Damals intervenierte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Erfurt. Ob dieses Mal Linken-Chefin Susanne Hennig-Welsow in Pankow einschreitet? Sie war diejenige, die seinerzeit Kemmerich die Blumen vor die Füße warf.

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