22.000 neue Stellen angedacht SPD-Politiker Kahrs nennt Bahn-Pläne für mehr Pünktlichkeit „puren Aktionismus“

Berlin · Nach einem weiteren Krisengespräch mit Verkehrsminister Scheuer hat der Bahnvorstand Pläne für mehr Pünktlichkeit vorgelegt. Der Rechnungshof sieht schwere Versäumnisse.

 Ein ICE im Hannoveraner Hauptbahnhof (Archiv).

Ein ICE im Hannoveraner Hauptbahnhof (Archiv).

Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Die Deutsche Bahn will mit deutlich mehr Lokführern und Wartungstechnikern dafür sorgen, dass ihre Züge künftig pünktlicher und zuverlässiger fahren. Das teilte Konzernchef Richard Lutz am Donnerstag nach einem Treffen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Berlin mit. Demnach sollen in diesem Jahr 22.000 neue Mitarbeiter eingestellt werden, 9000 mehr als zuvor geplant. Aber auch das Serviceangebot und die Kommunikation mit den Kunden sollen besser werden.

Die Bahn kämpft seit Jahren mit hohen Verspätungsquoten, Zugausfällen und Kapazitätsengpässen. Mehr als jeder vierte Fernzug fuhr im vergangenen Jahr dem Plan hinterher, dabei sind jene nicht einmal eingerechnet, die ihr Ziel gar nicht erreichten. Hinzu kommen viele Baustellen und die Auswirkungen früherer Sparprogramme beim Personal  gepaart mit einer stetig anwachsenden Kundenzahl. 2017 reisten mehr als 140 Millionen Fahrgäste mit Fernzügen, 2018 dürften es noch einmal mehr gewesen sein.

Bahnchef Lutz kündigte nun an, die Pünktlichkeit im Fernverkehr in diesem Jahr auf zumindest 76,5 Prozent erhöhen zu wollen. Zudem sollen mehr ICE-Züge einsatzbereit sein, Wartungsintervalle – mit mehr Personaleinsatz – verkürzt und Verspätungen durch ein besseres Baustellenmanagement vermieden werden. Lutz versprach auch, dass Bahnreisende besser informiert werden sollen. Rund 80 Bahnhöfe werden demnach in den kommenden Monaten mit neuen Anzeigen, Monitoren und Tafeln ausgerüstet. Verkehrsminister Scheuer dämpfte jedoch am Donnerstag die Erwartungen an schnelle Effekte, nachdem er am Dienstag bei einem ersten Treffen mit Lutz, Bahnvorständen und Verkehrspolitikern „spürbare Verbesserungen“ bis zum Sommer gefordert hatte.

Doch Christian Böttger, Professor für Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin meint,  bei den nun präsentierten Maßnahmen handele es sich weitestgehend um bereits beschlossene Dinge. „In Wahrheit müssen sich die Verantwortlichen bei Bahn und in der Politik eingestehen, dass sie kurzfristig kaum etwas tun können, um die Situation spürbar in den Griff zu bekommen.“ Selbst wenn die Bahn heute auf einen Schlag 50.000 neue Stellen schaffen würde, hieße noch nicht, dass die neuen Kräfte zeitnah zur Verfügung stünden. „Die Ausbildungskapazitäten sind extrem begrenzt. Zumal die Bahn auf einem leergefegten Arbeitsmarkt ohnehin Schwierigkeiten bekommen dürfte, genügend Kräfte zu finden.“

Kritik kam auch vom Koalitionspartner SPD. Haushaltsexperte Johannes Kahrs warf Scheuer „puren Aktionismus“ vor. Zudem sei es „schwer unanständig“, den Bahnvorstand mit den wiederholten Treffen „vor die Flinte zu spannen und vorzuführen“. Scheuer sei auch noch nicht auf ihn zugekommen, um möglichen finanziellen Mehrbedarf für die Bahn zu besprechen. Gemeinsam mit dem Bund sind in diesem Jahr Investitionen ins Netz von 10,7 Milliarden Euro geplant, das sind nach Konzernangaben 1,3 Milliarden mehr als im Vorjahr. Angesichts weiterer Maßnahmen könnte das nun nicht mehr reichen.

So warf am Donnerstag auch der Bundesrechnungshof dem Bund als Eigentümer der Bahn schwere Versäumnisse vor. „Der Bund und die DB AG haben die Kernziele der vor 25 Jahren angestoßenen Bahnreform verfehlt“, sagte Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. Es laufe dem Verfassungsauftrag der Bahn zuwider, wenn sie im Ausland Unternehmen zukaufe statt sich um eine gute Eisenbahn-Leistung im Inland zu kümmern.  „Nicht benötigte Unternehmensteile sollten vollständig verkauft werden“, heißt es in einem Sonderbericht für den Bundestag. Dies betreffe insbesondere die Auslandstochter Arriva und die international tätige Logistiktochter Schenker AG. Der Bund müsse endlich entscheiden, ob die Bahn vorrangig gewinnorientiert oder dem Gemeinwohl verpflichtet sein soll. Am 30. Januar wollen sich Scheuer und Lutz erneut treffen. Dann soll es vor allem um die Finanzierung der Bahn gehen.

(jd/mar/maxi)
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