Berliner Bühne Merkels Feuerlöscher

Berlin (RP). Montag morgen, 11.25 Uhr: Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans kommt die Stufen der Bundespressekonferenz herauf. In fünf Minuten wird hier im Saal mal wieder über Milliarden entschieden. Denn in heiklen Börsensituationen kann jedes Wort zu viel oder zu wenig die nervösen Anleger rund um den Globus in Panik versetzen.

Die Sitzungen werden live in die Redaktionsräume der wichtigsten Agenturen übertragen, und von dort sind Eilmeldungen binnen Sekunden rund um den Globus geschossen. Es geht in fünf Minuten also darum, Turbulenzen ins Unermessliche zu beschleunigen oder für Ruhe im Karton zu sorgen.

Eine klare Herausforderung für einen Regierungssprecher. Denn er darf nicht einfach ins Blaue hinein dementieren. Dann nähme die Öffentlichkeit der Regierung bald nichts mehr ab. Sein Wort muss schon Hand und Fuß haben. Und das ist in Sachen Griechenland-Krise ein Kunststück. Ist doch bekannt, dass die Euro-Länder ein Milliarden-Paket geschnürt haben. Weiß doch jeder, dass in Athen die 300-Milliarden-Verschuldung den Griff nach der Rettungsleine jeden Tag verführerischer macht.

Steegmans weiß, dass das Thema bei den Berliner Journalisten als erstes aufgerufen wird. Schließlich geht es allein um 8,4 Milliarden aus Deutschland, mit denen Griechenland gerettet werden soll. Die Nachfragen liegen auf der Hand: Was bedeutet das für die Steuerreform? Geht das eigentlich so einfach? Wie soll das überhaupt ablaufen? Der Vizeregierungssprecher hat offenbar den Auftrag der Bundeskanzlerin, die Nerven zu beruhigen, nichts in Abrede zu stellen, aber die Situation zu entdramatisieren.

Aber hier kann sich die Kanzlerin auf die Ideen ihres Vizesprechers verlassen. Er hat schon, als er noch für den Oppositionsführer Guido Westerwelle die Medienarbeit verantwortete, Argumente in Bilder gepackt. So als Westerwelle die Steuererleichterungen der großen Koalition madig machen wollte und Steegmans den Satz erfand: "das reicht gerade mal für eine Currywurst mit Mayo, aber ohne Pommes". Die Assoziation war sofort hergestellt: Bäh, so wenig?

Und welches Bild findet Steegmans, um die Spekulationen gegen Griechenland an den Finanzmärkten in den Griff zu bekommen? 11.30 Uhr, er hat das Wort. In einer Übersicht fasst er die verschiedenen Entwicklungen der letzten Tage zusammen und kommt dann zum entscheidenden Satz: "Dass jetzt ein Feuerlöscher an der Wand hängt, sagt überhaupt nichts aus über die Wahrscheinlichkeit eines Brandes." Das Bild sitzt. Jeder denkt, die Euro-Länder stehen mit den C-Rohren voller Hilfsmilliarden bereit, um jederzeit den Brand in Athen löschen zu können. Und da verweist Steegmans darauf, dass da lediglich ein Feuerlöscher an der Wand hänge. Damit hat er geschickt die Vorstellung von explodierender Staatsverschuldung überlagert.

Die Medienvertreter steigen nur zu gerne auf dieses Bild ein. "Wer definiert denn, wann es brennt", wollen sie wissen. Und wer wie viel in diesen Feuerlöscher einfüllt. Und ob da jedes Jahr ein neuer Feuerlöscher gebraucht wird. Schließlich benutzt auch Michael Offer die Feuerlöscher-Variante: Die meisten würden doch nur nach einigen Jahren wieder aufgefüllt, ohne dass sie jemals gebraucht worden wären.

Die Bild-Botschaft wirkt. Die Risikoaufschläge für den Athener Kreditbedarf sinken im Laufe des Tages, der Euro steigt wieder und diejenigen Spekulanten, die gegen Griechenland wetten wollten, kommen nicht zum Zuge. Für heute. Was morgen ist, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht geht es ja gar nicht um einen simplen Feuerlöscher. Vielleicht geht es ja um den größten Katastropheneinsatz, den die Löschzüge des Euro-Raumes überhaupt zu leisten im Stande sind. Und dann dürfte auch die Currywurst mit Mayo in Flammen aufgehen.

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