Berliner Bühne Merkel will nicht auf dem Ku'damm steppen

(RP). Im Juli verlagert sich die Hauptstadt-Politik in die Gärten und Innenhöfe von Berlins Mitte. Es ist die Zeit der politischen Sommerfeste. Verbände, Fraktionen und Landesvertretungen laden zu Bratwurst, Bier und zünftigen Reden. Beim traditionellen Sommerfest des Parlamentskreises Mittelstand der Unions-Fraktion geht es regelmäßig etwas deftiger zu. Das durfte nun auch Kanzlerin Merkel erfahren.

Da steht die Kanzlerin auf der Bühne und schaut verstört. Michael Fuchs, Chef des einflussreichen Parlamentskreises Mittelstand der Unions-Fraktion und Gastgeber auf dem Sommerfest hat die "liebe Frau Bundeskanzlerin" soeben aufgefordert, sich ein Beispiel an SPD-Altkanzler Gerhard Schröder zu nehmen. Der SPD-Mann wäre "den Ku'damm rauf und runter gesteppt", wenn er solch glänzende Wirtschaftsdaten als Regierungschef vertreten dürfte, sagt Fuchs und richtet den Blick erwartungsvoll auf die Kanzlerin. Die Regierung müsse sich "endlich mehr feiern", findet der resolute Pfälzer, der mit seinen Klartext-Forderungen seit Jahren den ordnungspolitischen Bulldozer der Unions-Bundestagsfraktion gibt. Für die eher nüchterne Angela Merkel ist ein Aufschwungtanz auf der Berliner Luxus-Meile aber offenbar eher eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung. Die CDU-Chefin geht ans Mikrofon und räumt freimütig ein. Dass mit dem Steppen, das "gehört wohl eher nicht zu meinen Stärken". Lachen im Publikum.

Duzfreunde Rösler und Merkel

Merkel sucht sch ihre Sommerfeste sorgsam aus. Dutzende Einladungen erhält die Kanzlerin in den Juli-Wochen pro Tag. Mit jedem Besuch gibt die Kanzlerin und CDU-Chefin ein politisches Signal. Das weiß sie zu nutzen, auch wenn der Auftritt meist nur wenige Minuten währt. Beim Sommerfest der hessischen Landesvertretung zeigt sich Merkel als treue Verbündete des neuen CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier (etwa 10 Minuten), erstmals gab sie "ihrem" Bundespräsidenten Christian Wulff bei dessen Sommerfest im Garten von Bellevue die Ehre (etwa 30 Minuten) und zeigte sich beim ZDF-Sommerfest (40 Minuten). Und nun also der einflussreiche Wirtschaftsflügel der Union. Mit 148 Abgeordneten ist der Parlamentskreis Mittelstand größer als die gesamte SPD-Bundestagsfraktion. Eine frohe Botschaft für die Wirtschaftsfreunde hatte Merkel auch im Gepäck. Man werde die "kalte Progression" im Steuerrecht abbauen und die Leistungsträger stärker am Aufschwung beteiligen, verspricht sie.

Als der Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) auf dem Sommerfest eintrifft und prompt auf die Bühne zu Merkel, Fuchs und Unions-Fraktionschef Volker Kauder gebeten wird, da zeigt die Kanzlerin sogar ungeahnte Koalitionseuphorie. "Wir haben uns jedenfalls vorgenommen, gut zusammenzuarbeiten", sagt Merkel und nickt ihrem Vizekanzler zu. Der bedankt sich bei "Angela" für die gute Zusammenarbeit und warnt die anwesenden Medienvertreter, die Koalition nicht zu früh abzuschreiben. Nebenbei erfahren die Gäste so, dass die 56-jährige Merkel und ihr 38-jähriger Stellvertreter inzwischen beim "Du" angelangt sind. Ein seltenes Zeichen des Vertrauens in der schwarz-gelben Koalition des Misstrauens.

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