Neonazi-Prozess Karlsruhe fordert neue Regeln für Presse

Berlin · Fast drei Wochen hat sich das Oberlandesgericht München gesträubt, aber jetzt muss es sich bewegen. Beim NSU-Prozess müssen ausländische Medien eine angemessene Zahl an Sitzplätzen erhalten.

NSU-Prozess: Der Richter und die Angeklagten
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Wie das Bundesverfassungsgericht am Freitag entschied, werden damit auch Vertreter türkischer Medien im Prozess um die Neonazi-Morde zum Zuge kommen. Türkische Medien waren bei der Vergabe der 50 reservierten Presseplätze leer ausgegangen. Dabei sind acht von zehn Opfern der Neonazi-Mordserie türkischer Herkunft. Ein weiteres Opfer war griechischer Abstammung.

Die Richter ließen den Kollegen in München allerdings freie Hand, auf welchem Weg diese Platzvergabe neu zu regeln ist. "Möglich wäre ein Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen zu eröffnen, indem nach dem Prioritätsprinzip oder etwa nach dem Losverfahren Plätze vergeben werden", hieß es in einer Mitteilung des Gerichts. Der Vorsitzende könne auch "die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln" gestalten, entschied Karlsruhe. Zu der Frage, ob der Prozess per Kamera in einen Nebenraum übertragen werden darf, äußerte sich das Verfassungsgericht nicht. Das Oberlandesgericht München ließ offen, wie es mit dem Richterspruch umgehen wird.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Ayman Mazyek, begrüßte den Richterspruch. Zugleich äußerte er die Sorge, dass es zu Verzögerungen kommen könnte. "Wir hoffen, dass diese Entscheidung nicht dazu führt, dass der Prozess-Auftakt verschoben werden muss."

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sieht durch die Entscheidung die Chance, den Glauben der Migranten an die Verlässlichkeit des deutschen Rechtsstaats zurückzugewinnen. "Ihr Vertrauen in den Rechtsstaat war durch die Aufdeckung der NSU-Morde erschüttert", sagte Böhmer. "Durch Transparenz und Offenheit kann es wiederhergestellt werden." Dazu gehöre auch, dass türkische und griechische Medien unmittelbar aus dem Gerichtssaal berichten könnten. Auch Vize-SPD-Chefin Aydan Özoguz zeigte sich erleichtert: "Ich bin sehr froh, dass das Bundesverfassungsgericht hier sehr schnell eine Entscheidung herbeigeführt hat. Und dass nun Klarheit besteht, dass nicht alle türkischen und griechischen Medien bei diesem Prozess ausgeschlossen werden dürfen. Das wäre ein fatales Signal gewesen." Sie zeigte sich überzeugt, dass der Prozess nun "ordentlich durchgeführt" werden könne.

(qua)
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