Berliner Bühne Huch, Samstag ist Bundesliga!

"Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft" - TV-Moderatoren erhoffen sich davon kurzweilige und erhellende Erkenntnisse. Mitunter kann es in Berlin jedoch schon erstaunen, wenn die Politik auf den Kalender trifft.

Es wäre ungerecht, den "Runden Tisch" zum Thema "Gewalt im Fußball" an diesem Freitag mit den Warnungen der Polizeigewerkschaft vor dem bevorstehenden 1. Mai in Verbindung zu bringen. Als hätten die Innenminister und die Fußballfunktionäre ihre Verantwortung erst entdeckt, nachdem die Polizeigewerkschaft drastisch davor warnte, was sich da zusammenbraut und dass es durchaus Tote geben könne. Die Polizeigewerkschaft ist Lobby, und deshalb liegt nahe, dass sie einen Mangel an Polizisten beklagt. Die Innenminister als ihre Dienstherren sehen das naturgemäß anders. Und die Finanzminister sowieso.

Aber an diesem 1. Mai kommt tatsächlich so viel zusammen wie seit langem nicht. Die Gewerkschaftskundgebungen haben zwar nicht mehr den Zulauf wie in früheren Jahrzehnten, doch Polizeibegleitung bei den Kundgebungen mit teils prominenten Sprechern ist durchaus sinnvoll. Das bindet Kräfte. Dann haben Rechtsextremisten den 1. Mai für eigene Protestaufmärsche vorgesehen. Das bindet noch mehr Kräfte. Antifaschisten wollen diese Aufmärsche der Neonazis verhindern, zumindest aber empfindlich stören. Das bindet noch viel mehr Kräfte. Die Rechten haben zudem in Trainingslagern geübt, wie sie wirkungsvoller gegen Gegendemonstranten und Polizisten vorgehen. Also sind zusätzliche Kräfte nötig. Dann wollen die Autonomen am 1. Mai wieder ein brennendes Zeugnis ihres Hasses auf den Kapitalismus ablegen. Was ganz viele Kräfte bündelt, zumal in Berlin, wo sie sich ein anderes Feld für die Straßenschlachten ausgesucht haben, um es der Polizei nach Jahren der Eindämmung mal wieder richtig zeigen zu können.

Und dann zeigt ein Blick auf den Kalender: Der 1. Mai ist ein Samstag. Ja und? Samstag! Nachmittags! Bundesliga! Vorletzter Spieltag! Alle Spiele gleichzeitig! Ja und? Die Polizei! Ach ja, dämmert es allmählich. Da sind ja Tausende von Polizisten nötig, um die Fans in der aufgeheizten Schlussstimmung der Bundesliga einigermaßen auseinander zu halten. Maikundgebungen, Demonstrationen, Krawalle - und dann noch Bundesliga. So sind die Innenminister auf den Gedanken gekommen, bei der Bundesliga anzuklopfen, ob man nicht vielleicht dieses Mal...

Nein, konnte der Ligaverband nicht. Die Fernsehrechte, die Satzung, Sie verstehen. Aber beim Runden Tisch am Freitag kamen zehn weitere Punkte zur Sprache, um der wachsenden Gewalt in den Stadien und um sie herum Herr zu werden. An die erste Stelle rückte Liga-Präsident Reinhard Rauball die "bessere Kommunikation" zwischen Fußball und Sicherheitsorganen, damit die Spielplanung so gestaltet wird, dass die "Spitzenbelastung" für die Polizei entzerrt werden kann.

Punkt zwei: Präventive Fanarbeit. Punkt drei: Workshops der Wissenschaft, die "Sicherheitsmodelle" entwickeln und überprüfen soll. Punkt vier: Der 1. Mai wird bundesligaspielfrei - aber erst ab 2011. Punkt fünf: Die Clubs machen ihre Sicherheits- und Fanbeauftragten zu Hauptamtlern. Punkt sechs: Die Clubs sollen ihre Ordner auch zu Auswärtsspielen mitnehmen. Punkt sieben: "Kids Clubs" sollen sich um die Fans der Zukunft kümmern. Punkt acht: Nach den "Ächtung-der-Gewalt"-Aktionen soll ein "Kodex für alle Fans" entwickelt werden, und wer sich dem nicht unterwirft, kriegt keine Karten mehr für Auswärtsspiele. Punkt neun: Aktivitäten rund um die Härtesten, die Ultras, die zum Beispiel wieder mit der Polizei reden sollen. Fehlt noch Punkt zehn? Das war die "Kostenbeteiligung der Clubs an den Kosten der Polizeieinsätze". Diese Forderung wurde bei dem Runden Tisch aber überraschenderweise gar nicht gestellt.

Das Problem ist immerhin statistisch erfasst. Bei den 612 Bundesligaspielen pro Jahr werden über eine Million Polizeibeamte eingesetzt, wurden zuletzt 830 Personen verletzt, darunter 229 Polizisten. Rund 12.000 "Problemfans" gibt es nach Einschätzung von Fußball und Innenministern, und inzwischen auch schon 3500 Stadionverbote.

Bleibt die Frage, warum die paar Sonntagsspiele am 1. Mai 2011 verschoben werden, die Fülle von Samstagsspielen am 1. Mai 2010 aber nicht. Haben die Innenminister zu spät beim Ligaverband interveniert? Nein natürlich nicht. Schon bei der letzten Innenministerkonferenz sei das Thema gewesen, erklärt Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Und dann habe man "frühzeitig Kontakt aufgenommen". Das Problem dabei war nur, dass der Ligaverband das zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr ändern konnte. Also doch zu spät? Man hätte drauf kommen können. Die Mai-Krawalle gibt es seit 23 Jahren, die Samstagsspiele der Fußball-Bundesliga seit 47 Jahren, den Tag der Arbeit seit 77 Jahren und den Gregorianischen Kalender auch schon seit schlappen 428 Jahren.

"Wir haben kein Sicherheitsproblem", beteuert Christoph Ahlhaus, Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Immerhin hat der Ligaverband Entgegenkommen signalisiert. Und Spiele auch von diesem 1. Mai schon verschoben. Und zwar in der dritten und vierten Liga.

Da wird die Polizei aber erleichtert sein.

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