Flüchtlinge und Grenzschließungen Unser Geschäftsmodell fußt auf offenen Grenzen

Meinung | Berlin · Die offenen Grenzen in der Europäischen Union sind die Stütze der deutschen Wirtschaft. Sollte Schengen wegen des Flüchtlingszuzugs scheitern, könnte das teuer für Deutschland werden.

 Besonders für die deutsche Wirtschaft sind offene Grenzen essentiell.

Besonders für die deutsche Wirtschaft sind offene Grenzen essentiell.

Foto: dpa, obe tmk

Kaum eine große Wirtschaftsnation ist so sehr auf offene Grenzen zu ihren Nachbarn angewiesen wie die deutsche. 70 Prozent ihres Warenhandels wickelt sie innerhalb der Europäischen Union ab. Der EU-Binnenmarkt ist eine der ganz großen Stützen des wirtschaftlichen Erfolgs Deutschlands, der Herzkammer der EU und der Euro-Zone. Schengen ist der Kern des Geschäftsmodells der deutschen Wirtschaft, die stolz auf den Titel Vize-Exportweltmeister ist. Täglich rollen Lkws mit mehr als einer Million Tonnen Waren über die deutschen Grenzen.

Angela Merkel weiß das, ihre Kritiker in der Union wissen es aber offenbar nicht. Oder sie haben dieses Wissen verdrängt. So sehr die Verzweiflung über den nicht abebbenden Flüchtlingsstrom nachzuvollziehen ist, so sehr verwundert es doch, dass ausgerechnet führende Wirtschaftspolitiker der Union den Aufstand gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin anführen. Der Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion und der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung gehören zu den Initiatoren des Protestbriefs der 44 Abgeordneten an Merkel.

Ein Ende des Schengen-Raums mit seinem freien Personen- und Warenverkehr im EU-Binnenmarkt hätte verheerende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Der Außenhandel würde massiv beeinträchtigt, stundenlange Lkw-Kolonnen an den Grenzen wären wieder traurige Realität. Schon jetzt gibt es sie an der deutsch-österreichischen Grenze.

Es gehe doch nur um vorübergehende Grenzkontrollen, nicht um ein komplettes Schengen-Aus, sagen Merkels Kritiker. Doch was einmal etabliert worden ist, lässt sich hinterher oft nur noch schwer wieder aufheben. Schließlich würden Zehntausende zurückgewiesene Migranten in den Balkan-Ländern oder in Griechenland ausharren, bis es wieder einfacher wäre, nach Deutschland zu kommen. Ohnehin gibt es "vorübergehende" Grenzkontrollen, wie sie unter anderem Deutschland bereits praktiziert, schon seit vielen Monaten. Das Schengen-Abkommen, das vorübergehende Kontrollen im Notfall zulässt, wird bereits ad absurdum geführt.

Dem ließe sich entgegen halten, dass auch der ungebremste Migrantenstrom die Wirtschaft erheblich belasten wird, etwa wegen absehbarer Steuererhöhungen. Die allerdings kämen auch auf Unternehmen und Bürger zu, würde Deutschland seine Grenzen tatsächlich schließen. Denn dafür bräuchte Deutschland rasch ein kostspieliges Grenzregime mit tausenden neuen Grenzbeamten.

Zudem kann auch ein Konjunktur- und Wachstumseinbruch infolge des endgültigen Scheiterns von Schengen schnell bedeuten, dass der Staat weniger Steuern einnimmt, die Arbeitslosigkeit stärker zunimmt und die Sozialausgaben steigen. Auch dann drohen Steuererhöhungen für Bürger und Unternehmen.

(mar)
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