Große Koalition Das Minister-Mikado — wer wird was?

Berlin · In zwei Wochen wollen Union und SPD den Koalitionsvertrag besiegeln. Dann müssen auch die Ministerposten besetzt werden. Das große Mikado um die Top-Jobs hat begonnen: wer sich zuerst bewegt, kann verlieren. Aber wer seine Ansprüche gar nicht erst anmeldet, kann übersehen werden. Hinter den Kulissen hat der Kampf begonnen. Versuch einer Übersicht.

Große Koalition: Das Minister-Mikado — wer wird was?
Foto: dpa, Kay Nietfeld

Ein altes Bonmot, angeblich von Altkanzler Konrad Adenauer, kursiert in diesen Tagen hinter den Kulissen der Berliner Republik. "Kommen wir zu den wichtigen Sachfragen: Wer wird was?" Am 27. November wollen Union und SPD den Koalitionsvertrag fertigstellen. Dazu gehört immer auch der Passus, welche Partei welches Ministerium bekommt. Und spätestens dann dürften die Personalspekulationen ins Kraut schießen.

Einige Vorentscheidungen scheinen in den letzten Tagen gefallen zu sein. Die Parteiführungen sollen sich wie 2005 darauf geeinigt haben, die Kabinettsposten "spiegelbildlich" zu besetzen, also die fachlich benachbarten Ressorts werden abwechselnd zwischen CDU, CSU und SPD verteilt. Man muss sich das wie beim Schulsport vorstellen. Die Mannschaftsführer wählen nach und nach ihre Lieblinge aus. Nur dass in der Politik am Ende immer einige frustriert übrigbleiben und gar nicht mehr mitspielen dürfen. Es gibt eben zu viele Posten: 15 Ministerämter sind zu vergeben, hinzu kommen die machtvollen Ämter als Fraktionschefs und Fraktionsgeschäftsführer, die jede der drei Parteien zusätzlich zu vergeben hat. Zusammen also 21 Top-Jobs. Die Zahl der ernsthaften Bewerber oder jener, die sich dafür halten, dürfte mindestens doppelt so hoch sein.

Neu zugeschnittenes Ministerium für Gabriel?

Klar: Kanzlerin bleibt Angela Merkel. Als Erster dürfte der Logik folgend dann SPD-Chef Sigmar Gabriel zugreifen. Es zeichnet sich ab, dass Gabriel auf das Finanzministerium verzichtet und ein neu zugeschnittenes Energie- und Wirtschaftsministerium übernehmen wird. Gabriel hat die Energiewende auf dem Parteitag der SPD als Kernprojekt für die kommenden vier Jahre identifiziert. Zudem will er das Wirtschaftsprofil seiner Partei stärken. Damit könnte Kanzlerin Merkel Wolfgang Schäuble (CDU) im Finanzministerium halten, ein erster Teilerfolg für die CDU-Vorsitzende.

CSU-Chef Horst Seehofer wiederum will angeblich das Verkehrsministerium unbedingt in CSU-Hand behalten. Den (wachsenden) Milliardenetat für Straßen, Brücken und Schienen soll am liebsten sein Getreuer, der bisherige Generalsekretär Alexander Dobrindt, übernehmen. Seehofer schätzt Amtsinhaber Peter Ramsauer nicht besonders, allerdings ist der in seinem Wahlkreis mit einem Spitzenergebnis in den Bundestag gewählt worden. Alternativ ist Dobrindt als Bildungsminister im Gespräch, dann müsste Merkel auf die kluge, aber weitgehend geräuschlos agierende Kurzzeit-Ministerin Johanna Wanka verzichten. Sicher ist das nicht, immerhin schätzt Merkel die bescheidene Art und die bildungspolitischen Ideen der früheren niedersächsischen Landesministerin.

Bei der SPD wird ein Wechsel von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ins Auswärtige Amt immer wahrscheinlicher. Zwar wird Steinmeier in seinem Umfeld davon abgeraten, die Machtbasis im Parlament abzugeben, doch gibt es in der deutschen Politik wohl niemanden, der so leidenschaftlich und kenntnisreich über Außenpolitik spricht wie der Ex-Minister. Nur zu gern würde Steinmeier der Öffentlichkeit beweisen, dass der Bedeutungsverlust, den das Amt unter FDP-Minister Guido Westerwelle erlitten hat, rückgängig gemacht werden kann. In dem Fall würde das Verteidigungsministerium an die Union fallen und der Merkel-Vertraute Thomas de Maizière (CDU) bliebe dort Minister. Diesen Wunsch soll de Maizière schon frühzeitig an die Kanzlerin herangetragen haben. De Maizière will trotz Drohnen-Affäre die Reform der Bundeswehr selbst zu Ende bringen.

Wechselt Steinmeier in das Kabinett, werden für den frei werdenden Posten an der Spitze der SPD-Fraktion Andrea Nahles, die bisherige Generalsekretärin, und Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann gehandelt. Weil die langjährige Sozialpolitikerin Nahles als Arbeitsministerin thematisch passen würde und in dem einflussreichen Ministerium Prestigeprojekte wie die Rente mit 63 und den Mindestlohn für die SPD in Gesetze gießen könnte, müsste Oppermann als einzig verbliebenes rhetorisches und politisches Schwergewicht die Fraktionsspitze übernehmen.

Oppermann will zwar unbedingt Minister werden (am liebsten Innenminister), könnte sich dem Wunsch Gabriels aber kaum entziehen. Dass die Abgeordneten Oppermanns bisweilen oberlehrerhafte Art nicht besonders schätzen, könnte in dem Fall durch die besonnene Ute Vogt als Fraktions-Geschäftsführerin ausgeglichen werden. Sie vertritt die schwächelnde, aber zahlenmäßig wichtige Südwest-SPD.

Als neue SPD-Generalsekretärin ist die rheinland-pfälzische Bildungsexpertin Doris Ahnen im Gespräch, der von SPD-Chef Gabriel favorisierte SPD-Linke Ralf Stegner stößt auf großen Widerstand in den Landesverbänden NRW, Baden-Württemberg und Bayern.

Familienministerium: Gute Chancen für Schwesig

Als neue Familienministerin hat SPD-Vize Manuela Schwesig gute Chancen, in der Union gibt es keine großen Bestrebungen das Ressort zu besetzen. CDU-Vize Ursula von der Leyen könnte in dieser Konstellation zu den Verlierern gehören. Sie müsste das Arbeitsministerium aufgeben und wohl das ungeliebte Gesundheitsministerium übernehmen. Ob Kanzlerin Merkel für die ehrgeizige Ministerin noch in der EU-Administration eine Perspektive findet, gilt als fraglich. Wenn der sozialdemokratische EU-Parlamentschef tatsächlich im Frühjahr kommenden Jahres an die Spitze der Kommission rückt, wäre für eine deutsche EU-Kommissarin kein Platz mehr.

Die CSU will das Innenministerium als wichtiges Verfassungsressort gerne behalten und CSU-Chef Seehofer würde dort wohl auch Amtsinhaber Hans-Peter Friedrich belassen. Dann wiederum fiele das Justizministerin in die Hände der SPD. Brigitte Zypries könnte es übernehmen, sie war schon in der großen Koalition zwischen 2005 und 2009 Justizministerin und gilt in der SPD als fleißig, kompetent und sie hat in Fraktionschef Steinmeier einen gewichtigen Fürsprecher.

Wer wird die Stimme des Westens?

Offen erscheint noch die Frage, wer für NRW-Ministerpräsidentin und SPD-Vize Hannelore Kraft künftig im Kabinett die Stimme des Westens erhebt. Michael Groschek ist immer wieder als Kandidat zu hören, dann müsste die CSU aber den Anspruch auf das Verkehrsministerium abgeben. Oder die Klever Abgeordnete und Schatzmeisterin der SPD, Barbara Hendricks, rückt als Entwicklungshilfeministerin ins Kabinett. Hendricks und Kraft sind sich in ihrer kritischen Distanz zu Gabriel ähnlich, das könnte als Fundament für ein Bündnis reichen.

CDU-Mann Peter Altmaier könnte im Umweltministerium weiter arbeiten, für den Verbraucherschutz ist die junge CSU-Nachwuchshoffnung Dorothee Bär oder die CDU-Fraktionsgeschäftsführerin Michael Noll im Gespräch. Und was macht Angela Merkels engster Vertrauter, der Bundesminister für besondere Aufgaben Ronald Pofalla? Der Klever Jurist will eigentlich auch ein Fachressort führen. Doch am Ende könnte Pofalla das bleiben, was er ist. Chef des Kanzleramts. Es heißt, dass Merkel ihn nicht gehen lassen will. Aber wer weiß. In zwei Wochen dürfte jedenfalls auch diese Personalie gelöst sein.

(brö)
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