Berliner Bühne 193 Staaten, ein Haushalt

Berlin · Der Welthaushalt wird Weihnachten fertig. In der Nacht zum 24. Dezember schnüren die Vertreter der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) die letzten Details für den Etat der Völkerorganisation fest. Es geht um rund 15 Milliarden Euro für die Jahre 2012/13, inklusive der Gelder für die weltweiten Friedensmissionen. Um knapp zehn Prozent soll der Etat im Vergleich zum letzten Doppelhaushalt anwachsen. Was kaum einer weiß: Deutschland ist mit fast einer Milliarde Euro pro Jahr ganz vorne mit dabei.

In den mausgrauen Konferenzräumen des UN-Gebäudes in New York wird derzeit gefeilscht, verhandelt und gerungen. Täglich treffen sich von der Bundesregierung entsandte Finanzexperten mit Vertretern von 193 Nationen. Mal geht es um Milliarden für Entwicklungsprojekte in der Sahara, mal um die Ausstattung der Blauhelmtruppen in Liberia und Georgien. Die Rechnung übernimmt zu einem Großteil Europa. Schuldenkrise hin oder her. Die EU stemmt aktuell 40 Prozent der gesamten Beitragssumme der UN. Nach den USA und Japan ist Deutschland drittgrößter Beitragszahler. Und seitdem Berlin einen (vorübergehenden) Sitz im Sicherheitsrat hat, werden die Begehrlichkeiten größer. Mehr Verantwortung kostet eben auch mehr.

Ein feixender Nigerianer

Neulich saß ein nigerianischer Diplomat den Beamten der deutschen Delegation gegenüber und feixte. Es ging um Gelder für eine UN-Mission auf dem afrikanischen Kontinent. Man solle sich doch nicht so anstellen, rief der Diplomat scherzhaft über den Konferenztisch und lachte. "Der Weltfrieden wird euch doch etwas wert sein, oder?" Die deutschen Beamten mühten sich, ihren Groll zu unterdrücken. Das Argument kennen sie nur zu gut. Für die deutschen Haushälter sind die Verhandlungen kaum vergleichbar mit Etatberatungen im Deutschen Bundestag. Das Kneipenprinzip, wer die Musik bezahlt, bestimmt was sie spielt, kennt im New Yorker UN-Gebäude keiner. Jedes Land, ob Eritrea, Malta oder eben Deutschland hat eine Stimme. Der Haushalt muss im Konsens aller 193 Staaten verabschiedet werden. Heißt: Alle Etatposten müssen bis zum letzten Cent ausverhandelt werden. Und weil an Weihnachten auch die umtriebigsten Diplomaten irgendwann zu ihren Familien wollen, ist die Nacht zum Heiligen Abend so etwas wie der inoffizielle Schlussakt. Bis 3 oder 4 Uhr wird meist gestritten, berichten Mitarbeiter der deutschen Vertretung.

Botschafter Peter Wittig, ein ausgesucht höflicher Diplomat mit akkurat gescheitelter Frisur und randloser Brille, macht sich keine Illussionen. Die Verschiebungen des Kräfteverhältnisses in der Weltgemeinschaft lassen sich am Verhandlungstisch beobachten. "Die Gespräche mit den Schwellen- und Entwicklungsländern werden zunehmend schwieriger, weil diese Länder selbstbewusster werden und zunehmend Entwicklungsprojekte einfordern", sagt er. Es seien eben "harte Verhandlungen bis zum Schluss". Aner natürlich müsse Deutschland immer die Rolle des "Advokaten der Steuerzahler" übernehmen, sagt Wittig, der der FDP nahe steht. An der Größenordnung der deutschen Zahlungen für die UN wird sich dennoch auch dieses Jahr nichts ändern.

(csi)
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