Studie aus dem Herbst 1,8 Millionen Alkoholiker - Ministerium verschwieg dramatischen Anstieg

Berlin · Zwischen 2006 und 2012 ist die Zahl alkoholabhängiger Menschen in Deutschland dramatisch gestiegen. Bereits seit Herbst liegt eine Studie im Gesundheitsministerium vor, die auf das Problem aufmerksam macht. Die Grünen werfen dem Ministerium vor, die Zahlen zurückgehalten zu haben.

Studie aus dem Herbst: 1,8 Millionen Alkoholiker - Ministerium verschwieg dramatischen Anstieg
Foto: DPA

Die Zahl der Alkoholabhängigen in Deutschland ist zwischen 2006 und 2012 deutlich von damals 1,3 Millionen auf heute knapp 1,8 Millionen Menschen gestiegen. Dies geht aus einem jetzt veröffentlichten Suchtbericht des Münchner Instituts für Suchtforschung hervor, der unserer Zeitung vorliegt. Die Zahl der Arzneimittel-Abhängigen stieg im gleichen Zeitraum sogar von 1,5 auf 2,3 Millionen.

"Hinter diesen Zahlen verbergen sich zahlreiche Familientragödien, denn mit den Abhängigen leiden auch ihre Familien und insbesondere die Kinder", sagte Harald Terpe, Sprecher der Grünen-Fraktion für Drogen- und Suchtpolitik. Terpe forderte die Verbesserung der Angebote für Suchtkranke und eine schnellere Genehmigung von Therapieanträgen. Die Grünen werfen dem Bundesgesundheitsministerium vor, es habe die selbst in Auftrag gegebene Studie seit Herbst zurückgehalten.

Ergebnisse im "Fachmedium" publiziert

Eine Ministeriumssprecherin räumte ein, dass die Studie der Behörde bereits im Herbst vorgelegt worden sei. Sie verwies darauf, dass die Ergebnisse wie in der Vergangenheit auch in einem "Fachmedium" publiziert worden seien. "Das ist ein normales Verfahren", sagte sie. Wenn man die Kürze der Zeit von Herbst bis Dezember 2013 betrachte, sei die Studie sogar "zügig" veröffentlicht worden.

Zum Inhalt der Studie erklärte das Gesundheitsministerium, dass zwar die Zahl der Abhängigen gestiegen, der Konsum in der breiten Bevölkerung aber zurückgegangen sei. Dies spiegelt die Studie tatsächlich wider. So trinken beispielsweise Männer durchschnittlich im Vergleich zu den 90er Jahren heute pro Tag etwa ein halbes Glas weniger als damals. Am deutlichsten fällt der Rückgang der Studie zufolge bei den 60- bis 64-Jährigen aus. Bei den Frauen zeigt sich ein differenziertes Bild: Während die jungen Frauen zwischen 18 und 24 Jahren deutlich mehr Alkohol trinken als noch vor zehn Jahren, ist der Konsum bei den 40- bis 59-Jährigen deutlich gesunken.

Anzahl der Konsumenten geht insgesamt zurück

Offensichtlich gehe die Anzahl der Konsumenten insgesamt zurück, heißt es in der Studie, von den Verbleibenden "weisen jedoch mehr Personen einen problematischen Konsum auf". Den allgemeinen Rückgang beim Konsum legaler Drogen wie Alkohol und Tabak führen die Wissenschaftler auf "gesellschaftspolitische Änderungen" und "präventive Bemühungen" zurück. Den gestiegenen Anteil an Abhängigkeitsdiagnosen bei Alkohol, Tabak und Beruhigungsmitteln bezeichnen sie hingegen als besorgniserregend.

Als eine mögliche Erklärung für die stark gestiegenen Zahlen von Alkoholikern nannte das Gesundheitsministerium die Sensibilisierung der Gesellschaft. So gilt als eines von mehreren Kriterien für Alkoholismus, wenn Menschen häufiger von ihrem Umfeld auf ihren problematischen Konsum angesprochen werden. "Da wir seit den tödlichen Vorfällen bei Kindern und Jugendlichen alle inzwischen sensibler sind, könnte es sein, dass mehr Menschen angesprochen werden und das entsprechend in der Befragung angeben", sagte die Ministeriumssprecherin.

(qua)
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