Merkel übt vorsichtig Kritik Berlin irritiert durch Erdogans Thesen

Frankfurt/Main (RPO). Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat mit seinen Aussagen zur Integration von Türken in Deutschland Befremden in der deutschen Politik ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel meldet deutliche Zweifel an Erdogans Thesen an. Die CSU spricht von einer Kampferklärung.

2008: Erdogans große Show in der Kölnarena
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Vor allem seine ablehnende Haltung zu einer Assimilierung der in Deutschland lebenden Türken stößt auf breite Kritik. CSU-Chef Erwin Huber forderte eine Überprüfung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Erdogan hatte am Sonntag auf einer Kundgebung in Köln gesagt: "Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Dies könne niemand von den im Ausland lebenden Türken verlangen. Merkel sagte dazu in Hamburg, das dauerhafte Leben in einem Lande bringe eine verstärkte Annahme der Gewohnheiten dieses Landes mit sich. Integration setze die Bereitschaft voraus, "sich in die Lebensweise eines bestimmten Landes, in dem ich in der vierten, fünften, sechsten Generation lebe, auch hineinzufinden".

Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sprach von nationalistischen und unerfreulichen Tönen. CSU-Chef Huber warf Erdogan eine Kampfansage an die deutsche Politik vor. Er sagte dem "Münchner Merkur" (Dienstagausgabe): "Erdogan hat türkischen Nationalismus auf deutschem Boden gepredigt. Das ist antieuropäisch und belegt unsere Bedenken hinsichtlich eines EU-Beitritts der Türkei".

Erdogan habe dem deutsch-türkischen Verhältnis und dem Zusammenleben von Deutschen und Türken schweren Schaden zugefügt, meinte Huber. "Was Erdogan gesagt hat, war eine Aufforderung zur Abgrenzung und Abkapselung, also das Gegenteil von Integration."

Vorbehalte

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sagte, er sei mit der Äußerung Erdogans zur Assimilation nicht einverstanden. Integration bedeute nicht, dass türkische Mitbürger ihre kulturelle und religiöse Identität aufgeben sollten.

Zur Forderung Erdogans nach türkischsprachigen Schulen und Universitäten in Deutschland sagte Merkel, sie habe keine Einwände gegen deutsch-türkische Gymnasien und Türkisch als Fremdsprache. Doch habe sie Vorbehalte, "dass türkische Lehrer jetzt nach Deutschland kommen, um mit den hier lebenden türkischstämmigen jungen Leuten Unterricht zu machen".

(ap)
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