Der Heilige Vater kommt nach Deutschland Benedikt XVI. — Staatsgast und Missionar

(RP). Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren verabschiedete sich der Papst nach sechstägiger Pilgerfahrt durch seine bayerische Heimat mit einem herzlichen Servus: "Auf Wiedersehen, so Gott will, in meinem geliebten Vaterland, gleich, ob es in Bayern oder an anderen Orten in Deutschland ist."

Der Papst feiert in Madrid den Kreuzweg
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Der Papst feiert in Madrid den Kreuzweg

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Am kommenden Donnerstag wird es ein Wiedersehen Benedikts mit seinen Landsleuten geben; und heute Abend bereits auch ein minutenlanges Wiederhören, weil zum zweiten Mal überhaupt ein Papst vom Vatikan aus das "Wort zum Sonntag" sprechen wird.

Der Papst und die Deutschen — eine Liebesgeschichte wie zwischen Johannes Paul II. und seinen Polen war das nie, wird das nicht mehr. Deutschland bleibt ein schwieriges Vaterland — nicht zuletzt für seine bedeutenden Söhne. Man kann es auch so sehen wie einst Winston Churchill: Undankbarkeit gegenüber ihren großen Persönlichkeiten sei ein Kennzeichen selbstbewusster Völker.

Die Mehrheit der Deutschen ist dennoch — vermutlich aus Sorge um den Pranger des halbintellektuellen, antirömischen Mainstreams bloß insgeheim — stolz auf ihren Landsmann auf dem Stuhl Petri. Dies ist ja doch auch naheliegend: Wenn jemand wie Benedikt XVI. oder vormals Joseph Ratzinger seine weltweit anerkannte geistige, theologisch-philosophische Brillanz mit beinahe kindlicher Frömmigkeit in Einklang bringen kann, zeugt das zumindest von einer interessanten, wenn nicht außergewöhnlichen Persönlichkeit.

Man sollte meinen, dass niemand von einiger Regsamkeit beziehungsweise Neugier vor solch einem Gast wegläuft oder ihn gar lächerlich zu machen versucht. Zumal wir Deutschen mit anspruchsvollen Impulsen, anregenden Gedanken, aufrüttelnden Mahnungen, mit geistig-moralischen Instanzen unterversorgt sind. Der Publizist Wolfram Weimer diagnostizierte neulich in Köln in einem klugen Vortrag eine fast systematische Führungslosigkeit in Politik und Parlamenten. Die Politik, so Weimer, verliere Autorität. Und auch dies sagte der Diagnostiker: Es gelte heute, nicht mehr Demokratie, sondern mehr Haltung zu wagen.

Man darf gewiss sein, dass allem antipäpstlichen Straßen-Schabernack, allem zur Schau gestellten Desinteresse an dem Besucher zum Trotz dieser "bescheidene, demütige Arbeiter im Weinberg des Herrn" (Benedikt nach seiner Wahl im Konklave am 19. April 2005) auf viele respektvolle Zuhörer trifft, die sich anregen, vielleicht sogar anstecken lassen, nachdenklich werden durch das, was der Papst in Berlin, Erfurt und Freiburg zu sagen hat.

Was mag das sein? Welche Botschaft hat der 84-jährige Kirchenlehrer aus Rom im Reisegepäck? Benedikt XVI. könnte — ganz der Herr Professor Joseph Ratzinger — aus seinem berühmten Werk "Einführung ins Christentum" vortragen, ist doch Deutschland längst Missionsgebiet, in dem vielen Menschen grundlegende Kenntnisse über ihre christlichen Wurzeln und Traditionen abhanden gekommen sind.

Die Lehrer-Rolle ist jedoch politisch heikel, könnte sie doch auch als oberlehrerhaft-unterweisend verstanden werden, zumal Benedikt diesmal nicht wie 2005 beim katholischen Weltjugendtag in Köln oder 2006 in Bayern ausschließlich eine Pilgerreise antritt. Er betritt erstmals auch als Staatsgast, als Oberhaupt des Staates der Vatikanstadt, des Völkerrechts-Subjekts "Der Heilige Stuhl" deutschen Boden.

Ein Staatsgast ist immer auch den Regeln der glättenden Diplomatie verpflichtet, viel mehr als ein Religionsführer, ein Kirchenmann und Prediger. Es ist zu hoffen, dass dieser fein und vornehm formulierende Petrus-Nachfolger sich nicht allzu sehr zurücknimmt, sich gar duckt unter den drohenden Blicken allzeit sprungbereiter, feindseliger Zeitgeist-Genossen, die den Papst zum Teufel wünschen, ihn jedenfalls gerne einer politischen Unkorrektheit überführen möchten.

Vor einem Jahr hat Benedikt als Staatsgast in Großbritannien die Balance klug gewahrt. Seine Ansprachen waren nicht weichgespült, allseits gefällig und floskelhaft. Er kam in ein weithin säkularisiertes Land, dessen mörderischer und scheidungswütiger König einst mit Rom gebrochen hatte und in dem 2010 aggressive Atheisten vomSchlage eines Richard Dawkins den Papst am liebsten verhaftet sehen wollten. Benedikt verließ die Insel nicht als Triumphator — die Rolle beherrscht er gar nicht —, vielmehr als jemand, vom dem die Mehrzahl der zunächst skeptischen bis ablehnenden Briten nun ein differenziertes, überwiegend positives Bild hat.

Reisen bildet eben nicht allein den Reisenden. Es waren die Bescheidenheit, die Authentizität im Tun und Reden, die nie hochfahrende Gelehrsamkeit, mit der Benedikt Engländer und Schotten für sich einnahm. Dem schäumenden Dawkins verschlug es am Ende die giftige Sprache. Der Papst betonte, was er bald in Deutschland wohl auch unterstreichen wird: Verdrängt Gott nicht aus eurem Land und eurem Leben, bewahrt und stärkt als Europäer das geistig-religiöse Erbe des Christentums, ohne das Europa nicht denkbar ist. Er wird, wie es Joachim Kardinal Meisner jüngst ausdrückte, Jesu Wort als geistige Nahrung anbieten: dass der Mensch, und mag er sich für noch so modern halten, nicht vom Brot allein lebt.

Der Besuch hat eine spezifische deutsche Komponente, nämlich die Frage nach der Ökumene. Hier wäre es für das christliche Miteinander wünschenswert, dass Benedikt XVI. eine positive Botschaft aussendet, damit in Abwandlung von Bundespräsident a.D. Roman Herzogs Appell ein ökumenischer Ruck durch das Land geht. Zu hohe ökumenische Erwartungen sollte man jedoch nicht haben. Der Papst ist nicht der Typ eines weit ausschreitenden Reformers, eher ein Bewahrer des Wahren, Schönen und Guten am katholischen Glauben. Kardinal Meisner sieht in dem ersten deutschen Papst seit mehr als 450 Jahren einen Wahrheitssucher. Er hat bewusst den Namen des Heiligen Benedikt, des "Patrons des Abendlandes", gewählt.

Das Leitmotiv seines Pontifikats ist die Versöhnung von Glauben und Vernunft. Er will nicht, dass Religion ins Esoterische abgedrängt wird, zur Romantik verdampft. Er mahnt, dass es nicht gut sei, Gott allenfalls noch die Funktion zuzugestehen, den Urknall ausgelöst zu haben.

(RP)
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