Ökonomen schütteln den Kopf Bei der SPD ist Steuererhöhung Programm

Berlin · Die Sozialdemokraten wollen die Vermögensteuer wieder einführen, eine Börsensteuer etablieren sowie die Einkommen-, Abgeltung-, Erbschaft- und Grundsteuer erhöhen. Bei Ökonomen lösen die Pläne Kopfschütteln aus.

Steuerrecht – Das ändert sich in 2013
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Foto: Jens Schierenbeck, gms

Wladimir Putin mag zwar kein lupenreiner Demokrat sein, aber ein ausgefuchster Staatsmann und bekanntermaßen guter Gastgeber ist er allemal, vor allem, wenn seine Gäste sehr reich sind. Einer, der die russische Gastfreundschaft zu schätzen wusste, ist der französische Superstar und Multi-Millionär Gérard Depardieu.

Persönliches Steuersparprogramm

Der war so angetan davon, dass er zu Jahresbeginn problemlos die russische Staatsbürgerschaft annehmen durfte, dass er Putin einen überschwänglichen Dankesbrief schrieb: "Ich verehre Ihr Land Russland, seine Menschen, seine Geschichte, seine Schriftsteller", umschwärmte der Franzose seine neue Heimat.

In Wahrheit freilich ging es weniger um seine Liebe zu Russland als um ein riesiges persönliches Steuersparmodell: Der Mann mit der großen Nase sollte in seiner Heimat Frankreich plötzlich auf alle Jahreseinkünfte, die eine Million Euro übersteigen, 75 Prozent Reichensteuer bezahlen. Das wollte Depardieu, der es als Schauspieler und auch als Winzer zu großem Vermögen gebracht hat, um jeden Preis vermeiden — also wurde er Russe. Bei Wladimir Putin muss Depardieu jetzt nur noch 13 Prozent Einkommensteuer im Jahr bezahlen.

Republikflucht?

Sozialdemokraten und Grüne in Deutschland sind zwar weit davon entfernt, die Reichen wie in Frankreich mit einem Spitzensteuersatz von 75 Prozent zu drangsalieren. Doch auch die Steuererhöhungen, die SPD und Grüne für den Fall ihrer Regierungsübernahme im Herbst planen, haben zusammengenommen das Zeug, bei Vermögenden, Besserverdienenden und vor allem bei vielen Unternehmen eine Republikflucht auszulösen.

Die SPD will die 1997 abgeschaffte Vermögensteuer wieder einführen, die Grünen plädieren für eine zeitlich befristete Vermögensabgabe. Sollte die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in elf EU-Staaten weiter auf sich warten lassen, will die SPD mit einer nationalen Börsenumsatzsteuer vorangehen. Darüber hinaus soll die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge von derzeit 25 auf 32 Prozent angehoben werden. Auch die Erbschaft-, die Grund- und die Grunderwerbsteuer will SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erhöhen.

Und aus der Einkommensteuer will die SPD künftig mehr einnehmen, indem sie den Spitzensteuersatz für zu versteuernde Jahreseinkommen in der Progressionsstufe zwischen 64 000 und 100 000 Euro von jetzt noch 42 auf künftig 49 Prozent anhebt. Bei den Grünen würde der Spitzensatz von 49 Prozent bereits ab Jahreseinkommen von 80 000 Euro wirksam. Alles in allem, so schätzen Finanzexperten, würde Rot-Grün die Steuerzahler jährlich mit 20 bis 25 Milliarden Euro zusätzlich belasten.

Die "Steuererhöhungsorgie" von SPD und Grünen würde nicht nur Reiche, Besserverdienende und große Unternehmen treffen, monierte der Bund der Steuerzahler, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen, gut verdienende Angestellte und Facharbeiter, Kleinsparer, Eigenheimbesitzer und Mieter. "Hier werden nicht nur die Reichen getroffen. Es geht bereits bei kleineren Unternehmern, Sparern und bei den gut verdienenden Angestellten los", sagt auch Michael Bräuninger, Steuerexperte am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut.

Umverteilung von oben nach unten

SPD und Grüne benötigen die avisierten Mehreinnahmen unter anderem für eine Reihe von geplanten Wohltaten für Familien und Rentner. Rot-Grün will zwar zu Recht im Bildungsbereich, etwa für den Kita-Ausbau, deutlich mehr Geld bereitstellen als die politische Konkurrenz. Doch die mit Abstand höchsten Mehrausgaben im SPD-Programm entfallen auf Verbesserungen für Rentner: Vor allem die geplanten Erleichterungen bei der Rente mit 67 würden hohe Milliardenbeträge verschlingen, so sie denn umgesetzt würden. "Hier soll nicht in erster Linie von Reich auf Arm umverteilt werden, sondern die gut verdienende Mitte der Gesellschaft soll mehr für die Rentner bezahlen", urteilt Bräuninger.

Kritik entzündet sich in erster Linie an den SPD-Plänen für eine Vermögensteuer, die den Bundesländern etwa zehn bis elf Milliarden Euro zusätzlich einbringen soll. Privatvermögen oberhalb von zwei Millionen Euro will die SPD mit einem Prozent besteuern, für Unternehmen gilt eine Freigrenze von 200 000 Euro. Die Steuer war 1997 aus verfassungsrechtlichen Gründen abgeschafft worden, und ihre Wiedereinführung würfe neue verfassungsrechtliche Fragen auf. Die Steuer würde Vermögen belasten, das aus bereits bis zu dreifach versteuerten Einkünften entstanden ist. Wenn etwa Unternehmenserträge nicht ausreichen, um die Steuer zu zahlen, würde die Substanz der Firma angegriffen. Fast alle Staaten außer Frankreich, Norwegen und der Schweiz verzichten daher auf eine Vermögensteuer.

Rot-Grüne Interessen

Als standortfeindlich, zumindest solange nicht die übrigen EU-Staaten mitziehen, kritisieren Ökonomen auch die geplante Anhebung der Abgeltungsteuer auf 32 Prozent. Hier will Steinbrück gut eine Milliarde Euro mehr pro Jahr einnehmen. Doch das scheue Kapital könnte den Finanzstandort Deutschland meiden, ginge Steinbrück allein voran. Zudem würden auch Kleinsparer und Kleinanleger — wie im Übrigen auch bei der geplanten Börsenumsatzsteuer — noch geringere Zinseinkünfte als ohnehin erzielen. Im internationalen Vergleich zu niedrig ist in Deutschland die Grundsteuer. Doch wird sie angehoben, verteuern sich Wohneigentum und Mieten weiter — das kann nicht im rot-grünen Interesse liegen.

Kaum der Mühe wert erscheinen auch die Pläne bei der Einkommensteuer: SPD und Grüne verleiden einerseits mit dem Anheben des Spitzensteuersatzes den Leistungsbereiten und den Personen-Unternehmern das Geldverdienen in der Heimat. Andererseits dürfte der höhere Tarif Bund und Ländern nicht wie erhofft fünf, sondern allenfalls eine Milliarde Euro pro Jahr mehr einbringen. "Es sind einfach nicht so viele Leute, die so hohe zu versteuernde Einkommen haben. Da kommt nicht so viel zusammen", sagt der Berliner Steuerprofessor Frank Hechtner.

Depardieu hat mit seinem Staatenwechsel allenthalben Kopfschütteln ausgelöst. Doch was, wenn bald auch einer wie Götz George Russe würde?

(mar)
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