Sondierungsgespräche zwischen SPD und Union Bei den Finanzen wurde Hannelore Kraft laut

Berlin · Acht Stunden lang haben Union und SPD sondiert, im Gegensatz zum ersten Treffen knirscht es diesmal kräftig. Beide Seiten bestätigen: Ja, zwischendurch hat es geknallt. Angeblich schrie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Horst Seehofer und Angela Merkel an, provoziert durch eine Bemerkung von Alexander Dobrindt.

Eine echte Belastungsprobe, heißt es jetzt. Dennoch spricht viel für Schwarz-Rot. Ein drittes Treffen ist für Donnerstag anvisiert. Zuvor spricht die Union an diesem Dienstag noch mit den Grünen.

Von diesem Treffen hängt ab, ob die Union am Donnerstagmittag zu einer dritten Runde mit der SPD zusammenkommt. Die Entscheidung über die weitere Sondierungsrunde soll nach Angaben der Generalsekretäre von CDU und CSU, Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt, an diesem Mittwoch fallen. Laut CSU-Chef Horst Seehofer ist auch ein drittes Sondierungsgespräch mit den Grünen denkbar.

Bei SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles war am frühen Dienstagmorgen nach dem Ende der Beratungen mit der Union deutliche Skepsis spürbar. Beim SPD-Kernthema Mindestlohn habe es keine konkreten Fortschritte gegeben. Verabredungen seien nicht getroffen worden. "Wir haben bei einigen Themen Schnittmengen erkennen können und bei anderen die Differenzen - wie bei Mindestlohn und Steuern." Das Gespräch habe mehr Klarheit gebracht, "wo wir stehen". Die SPD warte nun das Treffen der Union mit den Grünen ab. "Wir würden uns weiteren Gesprächen nicht verweigern."

Am Morgen ist von intensiven Gesprächen die Rede

Seehofer äußerte sich ebenfalls zurückhaltend zum Verlauf des Gesprächs mit der SPD. Die Koalitionsfrage sei weiter offen: "Das ist keine Taktierei, wir - jedenfalls die CSU - wollen mit beiden ernsthaft reden", sagte er mit Blick auf die Grünen. Ein weiteres Sondierungstreffen müsse mit dem Partner stattfinden, mit dem man über eine Koalition verhandeln wolle.

Gröhe sprach von sehr intensiven, sachlichen Gesprächen mit der SPD, die Gemeinsames, aber auch Trennendes offenbart hätten. Es seien viele Details zu Europa, Finanzpolitik, Energiewende, Zukunftsinvestitionen und Mindestlohn besprochen worden. Er werde aber keine Wasserstandsmeldungen zu Annäherungen oder Unterschieden liefern. Konkrete Vereinbarungen gehörten in Koalitionsverhandlungen.

Die Stimmung ist ernst

Im Gegensatz zur ersten Gesprächsrunde ist die Laune an diesem Montag vergleichsweise düster. Beide Seiten tragen bekannte Positionen vor, belauern sich, heißt es. Beim Thema Mindestlohn, für den die SPD vorab schon 8,50 Euro als gesetzliches Minimum festgesetzt hat, wird es schwieriger als erwartet.

Zwischen 20 und 21 Uhr kommt es zum Krach. Auslöser ist nicht der Mindestlohn, sondern das Thema Steuern und Finanzen. Kraft soll Merkel und Seehofer angeschrien haben: "So können wir hier keine Verhandlungen führen." Auslöser war wohl eine Provokation Dobrindts: Kraft solle erst mal ihren Landeshaushalt in Ordnung bringen. Dobrindt wollte das später so nicht bestätigen und sprach vieldeutig von einem Belastungstest.

Der Zwist muss erheblich gewesen sein. Zwischenzeitlich soll die gesamte Delegation der SPD empört den Verhandlungsraum verlassen haben. Der Ärger legte sich in der Pause, anschließend ging es wieder zur Sache. Dobrindt und Nahles bestätigten vor der Presse, es sei zum Teil heftig und lautstark zur Sache gegangen.

Im Nachhinein will das Aneinanderrasseln keiner mehr so hoch gehängt wissen. Nahles relativierte den Ausbruch Krafts. Sie habe "auch ganz andere Leute lautstark gehört". Sie bewertete die Reibungen unterm Strich als üblichen Vorgang. Das sei halt auch schon mal kribbelig gewesen und "ganz normal, wenn man so lange aufeinanderhockt".

Nahles erinnerte sich noch an die Koalitionsverhandlungen 2005 mit der Union. Da habe es wenigstens Alkohol gegeben. "Heute war da echt nix." Manche würde das Trinken ja eher beruhigen.

Ein schmaler Grat für alle

Dennoch stehen die Signale auf Schwarz-Rot. Auch Nahles machte deutlich, die SPD würde sich einem weiteren Treffen mit der Union nicht verweigern würde. Die Gespräche seien so intensiv gewesen, dass sie schon fast wie Verhandlungen anmuteten. Die Parteien befinden sich allerdings dabei offenkundig auf einem schmalen Grat.

Dobrindt sagte, es werde keine vorzeitigen Zugeständnisse der Union an die SPD geben, nur weil die Sozialdemokraten am Sonntag die skeptischen Delegierten ihres Parteikonvents überzeugen müssten. "Es gibt keine vorherigen Vereinbarungen in Einzelfragen. Am Ende von Koalitionsverhandlungen wird über alles entschieden."

Sollte es am Donnerstag zu einer dritten Runde von Union und SPD kommen, ist aber auch klar: Wenn die SPD-Kommission dem Parteikonvent am Sonntag mit 200 Delegierten nicht etwas Greifbares anbieten kann, droht ein Nein.

Zunächst aber stehen an diesem Dienstag für die Union weitere Gespräche mit den Grünen auf dem Programm. Die Vorzeichen sprechen gegen Schwarz-Grün, vor allem bei den Grünen ist vielerorts Skepsis zu vernehmen.

Grüne wollen ernsthaft reden

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte jedoch, ihre Partei wolle die Sondierung mit der Union ernsthaft fortsetzen. "Ich bin neugierig auf die zweite Runde und natürlich offen für mögliche Überraschungen", sagte sie "Spiegel Online". "Das ist doch keine Alibi-Veranstaltung." In der ersten Runde seien vielen Themen nur angerissen worden. "Wir bleiben bei den Schwerpunkten, die uns besonders wichtig sind - allen voran Vorschlägen für eine nachhaltige Klimapolitik und eine offenere Gesellschaft."

Auch ihre Parteikollegin Sylvia Löhrmann, die ebenfalls zur achtköpfigen Verhandlungsdelegation gehört, will "sehr ernsthaft und gewissenhaft" weitersondieren. "Wir müssen zweierlei herausfinden, erstens, ob es einen hinreichenden Vorrat an inhaltlichen Gemeinsamkeiten gibt, und zweitens, ob es Vertrauen für eine gemeinsame Basis gibt, die stark genug für eine vierjährige gemeinsame Regierungszeit ist", sagte die NRW-Schulministerin unserer Redaktion.

(dpa)
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