Keine "großen Zumutungen" mehr Beck tritt auf die Reformbremse

Berlin (RP). Der SPD-Chef will die "Zeit der großen Zumutungen" beenden und kritisiert anonyme Attacken von "Feiglingen" in der eigenen Partei. Vizekanzler Müntefering setzt andere Akzente und will die Reform-Agenda 2010 fortsetzen.

Reaktionen auf Becks Machtwort
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Wieviel Reform darf's denn sein? Aus der SPD-Spitze kamen dazu am Wochenende höchst widersprüchliche Antworten. Parteichef Kurt Beck forderte: "Die Zeit der großen Zumutungen muss erst einmal vorbei sein." Er ließ zudem Distanz zur Reform-Agenda 2010 des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder erkennen. Demgegenüber betonte Vizekanzler Franz Müntefering (SPD): "Wir setzen die richtige sozialdemokratische Linie der Agenda 2010 in der großen Koalition fort."

Menschen, die ganz wenig hätten, dürfe nichts mehr weggenommen werden, forderte Beck in einem "Spiegel"-Interview. "Auch denen in der Mitte, die hart arbeiten, aber kein Spitzeneinkommen beziehen, dürfen wir nicht noch mehr zumuten."

Beck verneinte die Frage, ob er stolz auf die Agenda 2010 sei: "Das musste gemacht werden und ich stehe dazu. Aber ich kann nicht stolz darauf sein, wenn Menschen beispielsweise keine Rentenerhöhung bekommen, länger arbeiten müssen oder lange keine Nettolohnerhöhung mehr hatten."

Müntefering setzte andere Akzente. Die Agenda 2010 sei nicht nur anstrengende Reform, sondern bedeute auch Steuersenkungen, mehr Betreuungsplätze für Kleinkinder sowie mehr Geld für die Forschung. "Auch dank dieser Politik haben wir eine Million Arbeitslose weniger als vor zwei Jahren. Das ist doch was", sagte Müntefering der "Bild am Sonntag".

Beck beschrieb sein persönliches Verhältnis zu Müntefering mit den Worten: "Sachlich, auf einer guten Basis. Und im internen Gespräch so offen und fair, wie sich das gehört." Sie hätten ein "gutes Arbeitsklima", sagte Beck und fügte hinzu: "Ich schätze die Arbeit von Franz Müntefering sehr."

Müntefering wiederum betonte: "Kurt Beck ist der Spielführer." Es sei normal, dass sie in unterschiedlichen Funktionen Akzente setzten. "Wo es mal unterschiedliche Positionen gibt, führen wir sie zusammen - im Sinne der gemeinsamen Sache." Er lobte, Beck habe "mehr Geduld als die meisten von uns" sowie "hohe Qualitäten als einer, der verschiedene Meinungen und Strömungen sammelt und daraus Richtung und Führung entwickelt".

Auf die Frage, ob Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz in einer Hand liegen müssten, verwies Müntefering auf "sehr unterschiedliche Varianten" in der Geschichte der SPD. In dieser Frage habe Beck als Parteichef das erste Wort.

Beck selbst kündigte an: "Ich beantworte die Kandidatenfrage auf meine Weise, und das wird Ende 2008, Anfang 2009 der Fall sein." Er habe schon kurz nach Übernahme des Parteivorsitzes entschieden, was er wolle, sagte Beck und äußerte sich erfreut darüber, dass die SPD mehrere mögliche Kandidaten habe. Er rügte erneut "anonymes Lästern" innerhalb der SPD, dessen Urheber er als "Feiglinge" bezeichnete. "Offen darf man alles sagen. Ich bin ja nicht zerbrechlich."

Der Koalitionspartner reagierte irritiert auf Becks Äußerungen zur Reformpolitik. Unions-Fraktionschef Volker Kauder warf ihm vor, die Bürger zu verunsichern. "Beck sollte diese Koalition unterstützen, statt den Leuten Angst zu machen."

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