Bilanz der Landwirte Bauern sehen Ende der Durststrecke
Analyse | Berlin · Die Landwirtschaft stand zuletzt stark unter Druck - etwa durch Probleme bei den Lieferketten oder steigende Energiekosten. Inzwischen habe man die „längere Durststrecke“ hinter sich gelassen, so Bauernpräsident Joachim Rukwied. Sorgenfrei sind die Landwirte freilich nicht.
Ukraine-Krieg und Energiekrise, Pflanzenschutz und Tierwohl – es gab viele Belastungsproben für die Bauern. Aber: „Wir haben in der Landwirtschaft eine längere Durststrecke Gott sei Dank hinter uns“, meinte am Donnerstag der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, bei der Vorstellung des neuen „Situationsberichtes“ für seine Branche. Ein Papier, das Licht und Schatten enthält.
Ertragslage. Die hat sich eindeutig aufgehellt. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2021/22 stieg das Unternehmensergebnis der Betriebe im Schnitt auf 79.700 Euro, heißt es in dem Bericht. Das waren pro Betrieb 26.200 Euro mehr als im Vorjahr. Ursache sind vor allem höhere Erzeugerpreise für Milch, Ackerfrüchte und Rindfleisch infolge einer global knappen Versorgungslage schon seit Herbst 2021. Mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine habe sich diese Entwicklung an den Märkten im Frühjahr und Sommer 2022 noch einmal verstärkt, so der Verband. Das Sorgenkind seien die Schweinehalter mit unterdurchschnittlichen Erträgen. Und: Die Ergebnisse der Bauern im Norden „liegen deutlich über denen, die im Süden Landwirtschaft betreiben“.
Probleme. Die Energiekosten für die Landwirte haben sich verdoppelt, zum Teil verdreifacht, „die Kosten für Düngemittel vervierfacht“, so Rukwied. „Wir wissen noch nicht, ob wir genügend Düngemittel im nächsten Frühjahr zur Verfügung haben.“ Die Markt- und Klimarisiken seien insgesamt gestiegen. „Es ist eine große Herausforderung, in diesen unsicheren Zeiten eine stabile Lebensmittelproduktion zu erhalten“, so der Präsident.
Versorgung. „Bis ins Frühjahr ist die Lebensmittelversorgung gesichert“, sagte Rukwied. Danach hänge vieles davon ab, wie die Lieferketten funktionierten und wie die Witterung sei. Bei Weizen, Kartoffeln, Zucker, Milch und Schweinefleisch ist der deutsche Selbstversorgungsgrad am höchsten.
Lebensmittelpreise. Eine Teuerungswelle hat auch Nahrungsprodukte erfasst. Relativ teure Lebensmittel wie Bio, Fairtrade, regionale Produkte oder Fleischersatz würden weniger gekauft, heißt es in dem Bericht. Die Inflation und die Angst vor weiter steigenden Heizkosten würden die Verbraucher zu preisgünstigeren Produkten greifen lassen. Er wolle nicht ausschließen, meinte Rukwied, dass die Preise kurzfristig weiter anzögen. Aus der Biobranche hieß es, die Verbraucher gingen jetzt mehr in die Discounter, aber dort greife man dann auch zu Bioprodukten.
Tierwohl. Da herrsche Stillstand, kritisierte Rukwied, weshalb Landwirte in Stallumbauten nicht investieren würden. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) plant eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung zunächst für Schweinefleisch. Die endgültige Finanzierung ist noch unsicher, derzeit sind etwa für Stallumbauten eine Milliarden Euro vorgesehen. Rukwied betonte, gerade die Schweinehaltung befinde sich im „Strukturumbruch“, die Zahl der Betriebe sei rapide gesunken. Auch die Bauern wollten beim Tierwohl mehr machen. Das sei aber nur mit einer sicheren Finanzierung möglich.
Pflanzenschutz. Die Landwirtschaft habe noch Potenzial, den Mitteleinsatz zu reduzieren, so Rukwied. Aber was die Europäische Union vorgelegt habe, „gefährdet die Ernährungssicherheit in Europa und in Deutschland“. Die EU will, dass bis 2033 bei den Pflanzenschutzmitteln 55 Prozent eingespart wird. Rukwied betonte, Minister Özdemir sei mit seiner Haltung in Europa isoliert – „weil die meisten anderen Staaten die Vorschläge ablehnen“.
Trend. Die Zahl der Bäckereien und Fleischereien geht weiter zurück. Ende Juni 2022 wurden insgesamt 9.800 Bäckereien gezählt - zehn Jahre zuvor seien es noch 13.700 Betriebe gewesen. Für das Fleischerhandwerk verzeichnet die Statistik noch 12.800 Betriebe, 15.900 waren es vor zehn Jahren. Ein Grund laut Bericht: Der harte Wettbewerb mit dem Einzelhandel.