Fahrverbote noch nicht vom Tisch Hendricks erhöht Druck auf Autobosse

Berlin · Erst vor drei Wochen hatte die Bundesregierung mit den Chefs der Autokonzerne Schritte zur Stickoxid-Reduzierung beschlossen. Doch die reichen laut Umweltbundesamt nicht aus. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will Fahrverbote für Diesel vermeiden, dafür fordert sie aber mehr als Software-Updates.

 Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will Fahrverbote für Dieselautos vermeiden, dafür fordert sie aber mehr als Software-Updates.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will Fahrverbote für Dieselautos vermeiden, dafür fordert sie aber mehr als Software-Updates.

Foto: dpa

Diesel-Gipfel eins ist vorbei. Diesel-Gipfel zwei ist für den Herbst angesetzt. Dazwischen will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 4. September noch mit Vertretern jener Städte treffen, die sich durch den Stickoxid-Ausstoß der Diesel-Fahrzeuge besonders belastet sehen.

Aber jetzt gibt es erst einmal ein großes Ministerin-Ehrenwort: "Ich will weiter alles tun, um Fahrverbote zu verhindern", sagte Hendricks (SPD) am Mittwoch in Berlin. Neben ihr die Präsidentin des Umweltbundesamts (UBA), Maria Krautzberger, deren Behörde im Auftrag von Hendricks Modellrechnungen vorgelegt hat, was die beim Gipfel am 2. August beschlossenen Sofortmaßnahmen bringen. Die Antwort überrascht nicht: zu wenig.

Hendricks verbindet ihre Ankündigung, Fahrverbote für Diesel in Innenstädten tunlichst zu vermeiden, aber auch mit einem Appell an die Autobosse. Ein bisschen Drohkulisse muss sein. Fahrverbote seien nicht völlig auszuschließen, denn nach der UBA-Studie wird die Luft in den meisten Städten trotz der vereinbarten Software-Updates kaum besser. UBA-Präsidentin Krautzberger: "Für fast 70 deutsche Städte reichen die Maßnahmen voraussichtlich nicht aus, um die Atemluft unter den Grenzwert von maximal 40 Mikrogramm Stickoxid im Jahresmittel zu senken."

Nur in rund 20 Städten, die derzeit knapp über dem Grenzwert lägen, würden die Beschlüsse des Diesel-Gipfels dazu führen, dass die seit 2010 geltenden EU-Grenzwerte auch eingehalten würden.

In Stuttgart, wo die Umwelthilfe auf Maßnahmen zur Einhaltung des Grenzwerts geklagt hatte, lag der Stickoxid-Wert 2016 im Jahresmittel bei 82 Mikrogramm. In Düsseldorf wurde laut UBA ein Stickoxid-Mittelwert von 58 Mikrogramm gemessen, in Mainz lag er bei 53 Mikrogramm, in Bonn wie auch in Aachen bei 49 Mikrogramm, und in Koblenz erreichte die Stickoxid-Belastung im vergangenen Jahr einen Mittelwert von 43 Mikrogramm.

Hendricks betonte, nach den Messungen seien Fahrverbote in der Zukunft nicht auszuschließen. Allerdings hätten es die Hersteller selbst in der Hand, dies zu vermeiden und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Software-Updates alleine würden dazu nicht ausreichen, sondern es müsse auch die Hardware nachgerüstet werden, beispielsweise durch ausreichend große Tanks mit dem Harnstoff "Ad Blue" zur Abgasreinigung.

Die SPD-Politikerin riet Kunden, die weiter Diesel fahren wollen, zu warten, bis neueste Dieselmodelle auf dem Markt sind. "Wenn Bürger ganz sicher sein wollen, müsste man einen Diesel der Euronorm 6D kaufen", so Hendricks. Modelle mit dem Abgasgrenzwert 6D müssen strengere Tests bestehen — sind bislang aber noch nicht auf dem Markt.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) beklagte wegen der drohenden Diesel-Fahrverbote eine große Verunsicherung. "Die Betriebe wissen nicht, wie sie in Zukunft ihre Kunden bedienen sollen, wenn sie nicht mehr zum Kunden fahren können", sagte ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. "Wenn es tatsächlich zu Fahrverboten kommt, brauchen wir Ausnahmen für unsere Handwerksbetriebe", forderte er.

Hendricks sagte, sie könne sich solche Ausnahmen vorstellen, die es auch jetzt schon für Handwerker in Umweltzonen von Innenstädten gebe.

"Nach dem Gutachten des Umweltbundesamtes werden Fahrverbote für Diesel-Pkw in deutschen Großstädten nahezu unausweichlich", sagte der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. "Damit dürften in den nächsten Monaten die Verkäufe von Diesel-Pkw in Deutschland ihre rapiden Talfahrt fortsetzen." Bei über 95 Prozent der neuen Euro-6-Diesel-Pkw sei nicht ausgeschlossen, dass auch sie von Fahrverboten betroffen würden.

Die Grünen warfen der Regierung zögerliches Handeln und der Autoindustrie Dreistigkeit vor. "Die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen sind nur Kosmetik angesichts der enormen Herausforderungen und der Dringlichkeit des Problems", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. "Die dreiste Behauptung des Dachverbandes der Autobauer (VDA), dass die vereinbarten Maßnahmen zur Luftreinhaltung ausreichen würden, zeigt, dass die Autobosse noch immer in einer Blase fernab der Realität regieren."

(jd/mar/)
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