Balkan-Route wieder attraktiv Immer noch kommen 500 Flüchtlinge pro Tag nach Deutschland

Exklusiv | Düsseldorf · Der Zuzug von Menschen aus Afrika, Syrien und dem Irak wächst, auch weil die Balkan-Route wieder attraktiver wird. Deutschland bleibt weiterhin Hauptziel.

 Flüchtlinge in Syrien im Mai dieses Jahres.  Foto: dpa

Flüchtlinge in Syrien im Mai dieses Jahres. Foto: dpa

Foto: dpa/Ammar Safarjalani

Der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland hält unvermindert an, und er konzentriert sich wieder verstärkt auf die Balkan-Route. Das geht aus aktuellen Zahlen des Bundesamts für Migration und der Bundespolizei hervor, die an das Bundesinnenministerium geschickt wurde, und unserer Redaktion vorliegen. Dabei handelt es sich um jene Flüchtlinge, die in Erstaufnahmeeinrichtungen registriert und in das „Easy“-System zur Erfassung der Asylbewerber aufgenommen wurden. Am Donnerstag waren es 485 Flüchtlinge, im Schnitt liegen die Zahlen bei derzeit 500 Flüchtlinge pro Tag. Seit Januar sind 56.000 Flüchtlinge neu registriert worden.

Der Großteil kommt aus Syrien, Afghanistan, Somalia sowie weiteren afrikanischen Ländern.  Zwei Drittel reisen über die Balkan-Route über die Türkei nach Bulgarien ein. Hauptziel ist Deutschland.

Sollte die Entwicklung konstant bleiben, würden im laufenden Jahr 180.000 Flüchtlinge in Deutschland ankommen. Das wären etwa so viel wie 2018 und im Rahmen dessen, was Union und SPD als jährliche Obergrenze festgelegt haben. In den vergangenen Wochen habe sich der Zuzug nach Europa im Vergleich zum  Vorjahr erhöht, hieß es. Die meisten Flüchtlinge würden nach Stationen in anderen Ländern dann später nach Deutschland kommen. EU-weit hatten bis Ende Mai fast 250.000 Menschen einen Asylantrag gestellt, 15 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Als Grund für den Anstieg gilt etwa die politisch schwierige Lage in Ländern wie Venezuela und Kolumbien, aber auch die Wiederentdeckung der Balkan-Route durch Schlepperbanden. Die Landgrenze zwischen der Türkei und Bulgarien sei „die neue Lieblingsroute“ für Flüchtlinge aus Ostafrika, hieß es.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise kamen 2015 täglich Tausende Flüchtlinge von der Türkei über den Seeweg nach Griechenland und zogen dann weiter nach Deutschland. Mit den Grenzschließungen auf dem Balkan und dem Türkei-EU-Abkommen, das Asylsuchende von der gefährlichen Flucht über die Ägäis abhalten soll,  konnten die Zahlen reduziert werden. Seither galt die Balkan-Route  eigentlich als geschlossen.

Problematisch ist die sogenannte Schutzquote, also der Anteil der positiven Asylentscheidungen. Sie liegt für die Flüchtlinge, die in Deutschland registriert werden, unterhalb von 30 Prozent. Heißt konkret: Nur jeder dritte Asylbewerber hat aufgrund seiner persönlichen Situation, etwa der Flucht vor Krieg und Verfolgung,  eine Chance auf eine dauerhafte Bleibe. Die übrigen Asylbewerber müssten zurückgeführt werden, was in der Praxis aber auf erhebliche Hindernisse stößt. Derzeit leben in Deutschland etwa 230.000 Menschen, die nach Recht und Gesetz abgeschoben werden müssten. Die Zahl der abgebrochenen Abschiebungen, etwa weil die Identität oder das Herkunftsland des Asylbewerbers nicht festgestellt werden kann oder der Betroffene untergetaucht ist, übersteigt die Zahl der Rückführungen.

Die Abschiebungen sind Ländersache. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ die Rückführungen erleichtern und die Asylbewerber stärker in die Pflicht nehmen. Dagegen sperren sich einige Bundesländer. Das Gesetz liegt im Vermittlungsausschuss.

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