Annalena Baerbock in Israel Die ewige Krise

Analyse | Jerusalem · Zwei Monate nach Amtsantritt ist Annalena Baerbock in jenem Land, in das eher früher als später alle deutschen Außenminister reisen: Israel. Eine Visite unter Spannung und mit einer großen Herausforderung.

 Baerbock bei ihrer Ankunft in Israel.

Baerbock bei ihrer Ankunft in Israel.

Foto: dpa/Fabian Sommer

 Irgendjemand muss den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wieder anschieben. Die Sicherheit Israels gilt in Deutschland als Staatsraison, zu der sich alle Bundesregierungen bekannt haben. Es war Joschka Fischer, erster Grüner an der Spitze des Außenamtes, der seiner Partei bei einer hart umkämpften Bundesdelegiertenversammlung einmal ins Stammbuch schrieb: Wenn es einen Staat auf der Welt gebe, der sich wegen seiner besonderen Lage – und damals noch umzingelt von Feinden -- keinen einzigen Tag militärische Unterlegenheit leisten könne, dann sei dies Israel. Die Grünen mögen dies bitte verstehen und die Kriegstreiber-Vorwürfe in Richtung Israel abstellen. Längst hat die Partei verstanden, die Baerbock gemeinsam mit Robert Habeck die vergangenen vier Jahre als Co-Vorsitzende geführt hat. 

 Der Nahost-Friedensprozess bleibt eine Jahrhundertaufgabe. Ungezählte UN-Sondergesandte sind daran verzweifelt. Auch die Weltmacht USA hat in Jahrzehnten im Ergebnis kein Abkommen geschafft, dass Israelis und Palästinenser tatsächlich miteinander ausgesöhnt hätte. Daran haben sich mehrere US-Präsidenten verhoben. Die aggressive Siedlungspolitik Israels verhinderte viel. Immer, wenn die Chancen auf ein Abkommen besonders gut schienen, torpedierten Hardliner und Extremisten beider Seiten die Bemühungen. Zuletzt warf ein Donald Trump als US-Präsident den nächsten diplomatischen Stein, als er mit seinem Entschluss, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, die Stimmung gerade unter den Palästinensern wieder anheizte.

 Baerbock hat nun in Israel das Existenzrecht Israels selbstredend betont – und auf die besondere Rolle Deutschlands hingewiesen. Aber genauso hat sie sich für einen Aussöhnungsprozess ausgesprochen und mit ihrem Besuch in den Palästinensergebieten demonstriert, dass ihr das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes gleichfalls am Herzen liegt. Die Zwei-Staaten-Lösung gilt weiter als Möglichkeit, den israelisch-palästinensischen Konflikt eines Tages doch noch fair und friedlich zu lösen. Trotz stringenter Rüstungskontrollpolitik der Ampel-Regierung, wonach keine Waffen in Krisen- oder Kriegsgebiete geliefert werden, dürfte es Baerbock politisch sehr viel schwerer fallen, sich etwa gegen einen Rüstungsdeal mit Israel zu stellen als gegen die Lieferung von Luftabwehrraketen in die Ukraine.

 Für Israel hat Deutschland gerade wegen der Shoah eine ganz besondere Verantwortung. Doch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte erst vergangenen Sommer auch an das NS-Massaker von Babyn Jar an 30 000 ukrainischen Juden und die Verpflichtung daraus. Die Geschichte entlässt niemanden aus der Verantwortung. Natürlich muss sich Baerbock der Frage stellen: Wenn Waffenlieferungen an Israel warum dann nicht auch an die Ukraine? Rüstungspolitik ist oft doppelzüngig – selbst bei guter Absicht. Israel und die Palästinenser stehen für eine ewige Krise. Wer sie löst, könnte den Schlüssel für Weltfrieden in den Händen halten.

(hom)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Waffen oder Worte
Außenministerin Baerbock erneut in der Ukraine Waffen oder Worte
Aus dem Ressort