Interview mit Manuela Schwesig "Auszeit für die Pflege bezahlen"

Die SPD-Vizechefin Manuela Schwesig plant, dass Angehörige mit akuten Pflegefällen in der Familie bis zu zehn Tage pro Jahr eine bezahlte Auszeit nehmen können. Der Ausbau der Kinderbetreuung soll weitergehen. Das Interview im Wortlaut.

Manuela Schwesig – SPD-Frau und Ministerpräsidentin von MV
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Das ist Manuela Schwesig

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Foto: dpa/Jens Büttner

Die SPD wollte unbedingt das Betreuungsgeld abschaffen. Wie weit sind Sie damit gekommen?

Schwesig Das wichtigste Thema für uns ist, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu stärken durch bessere Kitas und Schulen. Das wird auch etwas kosten. Wir finden, dass die Summen, die für das Betreuungsgeld ausgegeben werden, besser in Qualitätsverbesserungen für Kitas angelegt wären.

Sollten die Länder selbst entscheiden können, ob sie das Betreuungsgeld auszahlen oder in die Infrastruktur für Betreuung stecken?

Schwesig Das Betreuungsgeld ist zwischen Union und SPD strittig. Fakt ist, dass die Mehrzahl der Länder das Geld lieber in den Ausbau und die Qualität der Kinderbetreuung investieren würde.

Wird eine nächste Bundesregierung das Ausbauprogramm für die Kinderbetreuung verlängern?

Schwesig Ja. Die Länder werden morgen im Bundesrat einen entsprechenden Gesetzentwurf beschließen, der dann von SPD und Union im Bundestag unterstützt wird. In den Koalitionsgesprächen haben wir bereits verhandelt, dass die nicht verbrauchten Gelder weiter für den Kita-Ausbau verwendet werden können. Darüber hinaus brauchen wir ein weiteres Bundesprogramm, das die Qualität in Kitas verbessert.

Wie wollen Sie der wachsenden Zahl an Menschen helfen, die Pflege von Eltern oder Schwiegereltern und Berufsleben vereinbaren müssen?

So verhandelt Schwarz-Rot
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Schwesig Eingebettet in eine große Pflegereform sollen Familien, die Angehörige pflegen, besser unterstützt werden. Dafür soll die zehntägige Auszeit vom Job, die Angehörige heute schon in akuten Fällen nehmen können, künftig bezahlt werden.

Wie soll das funktionieren?

Schwesig Dies soll ähnlich laufen wie bei Eltern, die für ihre kranken Kinder zehn Tage im Jahr zu Hause bleiben können. Die Pflegeversicherungen wären in der Pflicht, die Lohnfortzahlung in Höhe des Krankengeldes zu leisten.

Wie sehr würde dies die Pflegekassen belasten?

Schwesig Wir rechnen damit, dass rund 50 000 Menschen eine solche zehntägige Pflegezeit in Anspruch nehmen werden. Das wären dann jährlich 40 Millionen Euro. Angesichts dessen, dass wir eine Pflegereform mit einer Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte planen, die den Pflegekassen fünf Milliarden Euro einbringt, ist dies eine überschaubare Ausgabe.

Ist es Zeit, dass sich die SPD das Familienministerium wieder greift?

Schwesig Wir reden derzeit weder über Ministerien noch über Personalien. Es kommt jetzt darauf an, dass wir Inhalte durchsetzen, mit denen wir den Menschen helfen und denen unsere Mitglieder zustimmen.

Was muss bei dieser großen Koalition anders werden als 2005 bis 2009?

Schwesig Die SPD muss das soziale Gesicht dieser Koalition werden. Die Menschen müssen darauf vertrauen, dass sich Anstrengung lohnt und dass Kinder Perspektiven haben — unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.

Ihr Parteichef hat seinen Ton stark entschärft und mahnt die SPD zu Kompromissen. Ist das richtig?

Schwesig Ja. Sigmar Gabriel hat deutlich gemacht, dass die SPD nur in eine große Koalition geht, wenn sie damit wirklich das Leben der Menschen verbessert und unsere Mitglieder zustimmen. Er hat aber auch recht, wenn er darauf hinweist, dass wir nur von 25 Prozent der Wähler gewählt worden sind und damit auch nicht 100 Prozent unserer Inhalte durchsetzen können. Unsere Mitglieder sind hin- und hergerissen zwischen der Ablehnung einer großen Koalition und dem Wunsch, nach Jahren des Stillstands etwas bewegen zu können. Sigmar Gabriel hat eine sehr gute Art, beide Gefühlslagen ernst zu nehmen und die Mitglieder mitzunehmen. Wir vertrauen, dass die Basis am Ende gemeinsam mit uns die richtige Entscheidung trifft.

Gibt es einen Plan B, wenn es nicht gelingt?

Schwesig Nein.

JASMIN BUCK UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(qua)
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