Koch, Krautscheid und Co. Aus der Politik in die Wirtschaft

(RP). Andreas Krautscheid, bis vor kurzem CDU-Generalsekretär in NRW, ist der vorläufig letzte Christdemokrat, der ins Praktisch-Ökonomische wechselt. Zuvor taten es ihm Bedeutendere gleich: das hessische politische Schwergewicht Roland Koch und der hamburgische Bonvivant Ole von Beust.

Diese Ex-Politiker wechselten in die Wirtschaft
18 Bilder

Diese Ex-Politiker wechselten in die Wirtschaft

18 Bilder

Das Ergebnis war sensationell. Mit 99,5 Prozent wurde Europaminister Andreas Krautscheid Ende März auf dem Parteitag der NRW-CDU in Münster zum neuen Generalsekretär gewählt. Superstar Krautscheid sollte für die in schweres Fahrwasser geratene Partei den Landtagswahlkampf managen. Er hatte es nicht nur mit den politischen Gegnern zu tun, sondern auch mit Frustrierten aus den eigenen Reihen, die am laufenden Band parteiinterne Unterlagen an die Öffentlichkeit lancierten und dadurch die nordrhein-westfälischen CDU in arge Bedrängnis brachten. Am Ende verlor die CDU mit Jürgen Rüttgers an der Spitze haushoch. Die Folge: Partei und Fraktion mussten sich neu sortieren.

Krautscheid legte sich zu früh fest

Krautscheids Fehler Nummer eins: Er bewarb sich damals nicht um den Vorsitz der Landtagsfraktion, obwohl er ihn wohl bekommen hätte. Seine offizielle Begründung lautete, er sei erst wenige Monate "General" und könne nicht dauernd die Parteiämter wechseln. Möglicherweise dachte er schon damals an Abkehr von der Politik.

Fehler Nummer zwei: Im Ringen um die Nachfolge von Rüttgers als Parteichef legte sich Krautscheid frühzeitig auf Laschet fest — und damit gegen dessen Mitbewerber Norbert Röttgen. Die Parteinahme stieß in der CDU übel auf. Ein Generalsekretär habe sich bei einem innerparteilichen Duell neutral zu verhalten, wurde ihm vorgehalten.

Der Sieg Röttgens bedeutete das Ende der Amtszeit von Krautscheid. Denn dass Ex-Verkehrsminister Oliver Wittke, ein Freund des Bundesumweltministers, neuer Generalsekretär werden würde, pfiffen die Spatzen längt vom Dach.

Andreas Krautscheid (49) hat das beizeiten kommen sehen und sich nach einem neuen Job außerhalb der Politik umgesehen. Auf dem CDU-Parteitag in Bonn ließ er am vergangenen Wochenende seinem Unmut über die (mangelnde) Parteiführung freien Lauf. In der Parteizentrale an der Düsseldorfer Wasserstraße habe er damals "sehr einsame Tage" gehabt. Und weiter: "Als nach und nach aus der Wasserstraße immer mehr die Unterwasserstraße wurde, als uns die Brocken um die Ohren geflogen sind, als wir permanent in der Defensive waren und uns wehren mussten gegen teils unfaire, teils unwahre Geschichten", da habe er "vom Landesvorstand so gut wie keinen bei uns gesehen."

Wie nun bekannt wurde, wechselt Krautscheid 2011 zum Bundesverband der Banken nach Berlin. Er gehe "ein bisschen wehmütig", aber nicht im Groll, sagt er. Gestern wiederholte er seine Einladung: Wer weiterhin Kontakt mit ihm wünsche, brauche ja seine Telefonnummer nicht sofort wegzuwerfen.

Roland Koch - neues berufliches Leckerli

Ein ungleich größeres Kaliber war Roland Koch (52), tauglich für jedes Exekutivamt von Rang. Koch spielte seit Jahren als Hessen-Chef und CDU-Bundesvize in der politischen Champions League, bis er im Mai einen merkwürdigen Satz von sich gab. Den Satz hätte man — die CSU-Legende Franz Josef Strauß im Sinn — "politischen Pygmäen" zugetraut, aber nicht einem Homo politicus maximus wie Koch. Er sagte zum Abschied mit der ihm eigenen ironischen Nüchternheit, Politik "war ein faszinierender Teil meines Lebens, aber Politik ist nicht mein Leben".

Alle, die das damals hörten, waren perplex, mochten nicht glauben, dass es Koch ernst meint mit dem Wegzug ins Privatwirtschaftliche. Aber er hatte nicht kokettiert. Personalberater suchten und fanden für ihn, den begehrten politischen Führungsoffizier, eine 1,5-Millionen-Vorstandsvorsitzenden-Aufgabe beim M-Dax-Unternehmen Bilfinger Berger. Ein berufliches Leckerli dazu: der Aufsichtsrat-Chefposten bei einer Schweizer Großbank.

Von Beusts Charme war verblasst

Ole von Beust (55), Hamburgs Erster Bürgermeister a.D., liebt es ein paar Nummern kleiner. Er ist auch nicht so sehr in Arbeitstage von 15 Stunden und mehr vernarrt, wie Koch das war und ist. Beust hat immer auch gearbeitet, um zu leben, gerne auf Sylt und unter Segeln. Seine Rückzugsankündigung im vergangenen Juli überraschte nicht, sie lag seit Monaten in der Luft. Beusts Alster-Charme war verblasst, die Stadt-Schulden wuchsen, die schwarz-grüne Senats-Barkasse lief schulreformerisch auf Grund.

Die Lockungen von mehr Privatleben, seit kurzem mit einem 19-jährigen Medizinstudenten an seiner Seite, sowie die angenehme Aussicht auf den nicht allzu strapaziösen, aber reizvollen Beraterposten in der Consulting-Wirtschaft machten dem Anwalt den Weg- und Übertritt leicht.

Der adelige Bürgermeister und Senatspräsident fühlte sich nach gut drei Jahrzehnten in der Politik, wie er es sehr boulevardesk formulierte, "durchgenudelt".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort