Kanzlerkandidatur in der Union „Aus den Vorwahlen geht auch keiner ohne Blessuren hervor“

Berlin · Parteien- und Wahlforscher über die Folgen des anhaltenden Kampfes zwischen Markus Söder und Armin Laschet für die Einstellung der Unionsanhänger. Wie die Auseinandersetzung auf die Wähler wirkt und was davon hängen bleibt.

 Armin Laschet und Markus Söder auf dem Weg zu einer Klausurtagung der Unionsfraktionsspitze am Sonntag in Berlin.

Armin Laschet und Markus Söder auf dem Weg zu einer Klausurtagung der Unionsfraktionsspitze am Sonntag in Berlin.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Markus Söder und Armin Laschet kosten der Union derzeit Sympathien, lassen aber nur bedingt Schlüsse auf den Wahlausgang und erst Recht auf die Chancen von Armin Laschet zu. Darin sind sich Parteien- und Wahlforscher weitgehend einig.

Die ungeklärte Situation könne „momentan noch zur Verunsicherung der Unionswähler beitragen“, erläuterte der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer. Wenn die Frage dann aber in einigen Tagen geklärt sein werde, spielten andere Gesichtspunkte für die Haltung der Anhänger die entscheidende Rolle. Dann gehe es vor allem um das Corona-Management und die Antworten der Union auf die Frage, wie die Krisenfolgen zu bewältigen seien.

In diesem Zusammenhang bescheinigte die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Ursula Münch, Laschet ein kluges Vorgehen bei seiner Pressekonferenz am Montag. Indem er zunächst herausstellte, das Wichtigste an diesem Tag sei nicht die Personalfrage, sondern, wie die Pandemie in den Griff zu bekommen sei, habe er die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen die Selbstbeschäftigung der Parteien geschickt aufgegriffen. Zugleich warnte Münch davor, die Auseinandersetzung zwischen den Parteichefs zu dramatisieren. „Wenn eine Kanzlerin nicht mehr antritt, muss eine Partei einen anderen Kandidaten benennen, und da wir gottseidank nicht in einem autoritären System leben, ist so etwas natürlich mit Wettbewerb, auch mit gegenseitigem Schlechtmachen verbunden“, sagte Münch.

Die Stimmung gegen Laschet habe auch mit der Medienberichterstattung zu tun und sei von der Erwartung begleitet, dass ein Teil der Medien einen direkten Wettbewerb zwischen Markus Söder und Annalena Baerbock „durchaus attraktiv“ gefunden hätte, meinte Münch. Die Politikexpertin ist sich sicher, dass an dem Tag, an dem Söder aufgestellt würde, sich die veröffentliche Meinung gegen ihn richten würde. Statt von dessen Handlungsfähigkeit wäre dann von seinem Wort „Asyltourismus“ und von der Maskenaffäre die Rede. „Da ist noch vieles offen, und auch Herr Laschet kann noch einiges für CDU und CSU retten“, sagte Münch voraus. Sie erinnerte an die Wahljahre 2002 und 2005, in denen es auch sehr große Bewegungen in den Monaten vor der Wahl gegeben habe.

Der Düsseldorfer Parteienforscher Thomas Poguntke verwies darauf, dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im Februar 2017 deutlich vor der Kanzlerin lag. Das zeige, „wie wandelbar Umfragewerte sind“. Es sei jedenfalls gut, wenn sich CDU und CSU bei der Kandidatenfrage jetzt schnell entscheiden. Ein längerer Zweikampf zwischen Laschet und Söder könne der Union nur schaden – weil dann alle politischen Handlungen der beiden Ministerpräsidenten immer vor dem Hintergrund der ungeklärten Kandidatenfrage betrachtet würden. Poguntke schätzt, dass Laschet die Kandidatur nicht mehr zu nehmen sein werde, da Söders offensichtliche Hoffnung auf eine Aufforderung zur Kandidatur seitens der CDU bislang nicht erfüllt worden sei. Der Parteienexperte rechnet damit, dass die Klärung der Kandidatenfrage den Unionsparteien Rückenwind geben werde.

Der Berliner Wahlforscher Thorsten Faas fühlt sich in der aktuellen Situation an die US-amerikanischen Vorwahlen erinnert. Auch dort gehe keine Kandidatin und kein Kandidat ohne Blessuren aus dem Vorwahlrennen hervor. Es sei zwar noch eine lange Zeit bis zur Wahl, doch sei die Debatte an vielen Stellen um sehr grundsätzliche Dinge wie Führungsstärke, Geradlinigkeit, Wankelmut, Integrität oder Vertrauen gegangen. Faas: „Da bleibt schon einiges hängen.“ Die Umfragen seien zwar sehr volatil, wie auch die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gezeigt hätten. Doch zugleich müsse eines bedacht werden: „Beide Kandidaten sind bekannte Politiker, deren Image sich nicht so eben mal drehen lässt.“

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