Auftakt des Wirtschaftsministers Habecks blassgrüner Optimismus

Analyse | Berlin · Robert Habeck steht als erster Grüner an der Spitze des Wirtschaftsministeriums. Die Aufgaben sind immens groß, der Anspruch des neuen Minister auch. Doch nach nur vier Wochen im Amt muss er erste Hoffnungen dämpfen.

 Mit Robert Habeck steht erstmals ein Grüner an der Spitze des Wirtschaftsministeriums.

Mit Robert Habeck steht erstmals ein Grüner an der Spitze des Wirtschaftsministeriums.

Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

Für Theater muss Zeit sein, auch wenn Robert Habeck sie eigentlich nicht hat. Seit knapp vier Wochen ist der 52-Jährige als neuer Wirtschafts- und Klimaminister vereidigt, der erste Grüne in diesem Amt. Er ist nun Chef eines Hauses mit rund 2300 Mitarbeitern und die politischen Herausforderungen sind immens. Die Ampel-Koalition hat sich nichts weniger vorgenommen, als die deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik umzubauen. Meint man es ernst mit der Klimarettung, dann duldet die Transformation keinen Aufschub mehr. Doch die Zeit für einen Theaterabend hat Habeck sich trotzdem frei geschaufelt. Gerade dann, wenn die Bühne ihm gehört.

Es ist der Sonntag vor Weihnachten, Habeck ist zur Nachtgesprächsreihe „Je später der Abend…“ des Berliner Ensembles eingeladen. Schauspieler Nico Holonics befragt ihn zu seinem unwahrscheinlichen Werdegang, vom freischaffenden Schriftsteller zum Vizekanzler. Kultur, wird Habeck an diesem Abend sagen, bedeute ihm im Zweifelsfall mehr als Politik, „weil das eine Beruf ist und das andere Sinn“. Dem promovierten Literaturwissenschaftler eilt der Ruf voraus, der Philosoph unter den Spitzenpolitikern zu sein - und er kultiviert diesen Ruf auch gerne. Trotzdem will Habeck zeigen, im neuen Amt voll angekommen zu sein. Er spricht von seiner neuen Aufgabe als „etwas Großem“, vom „Staat, den ich repräsentiere“, und davon, dass es jetzt um eine „entscheidende Phase in der Geschichte dieses Landes“ gehe. Habeck, selten um schmuckreiche Worte verlegen, zieht die ganz großen Register. Er beherrscht das Polit-Schauspiel.

Ein staatsmännisch-selbstbewusstes Auftreten dürfte Habeck in diesem Amt helfen, wenn es denn mit den richtigen Inhalten unterfüttert ist.  Unternehmen und Industrie verlangen nach Verlässlichkeit, Planungssicherheit und nach einem Staat, der auf dem ehrgeizigen Weg hin zur Klimaneutralität bis 2045 die Richtung weist, ohne zu sehr regulierend einzugreifen. Im Wahlkampf haben die Grünen propagiert, dass die Industrie weiter sei als die alte Bundesregierung. Grüner Strom, grüner Stahl, emissionsfreie Produktion – die Unternehmen seien längst zum Umstieg bereit, wenn die Regierung diesen Weg nur endlich mit einer progressiven Wirtschafts- und Energiepolitik flankieren würde. So ging das grüne Credo. Bei der Amtsübernahme von seinem Vorgänger Peter Altmaier (CDU) sagte Habeck, er wolle die ordnungspolitischen Leitplanken weiterentwickeln, um aus der sozialen eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft zu schaffen. Nach 16 Jahren auf der Oppositionsbank können die Grünen in Regierungsverantwortung nun zeigen, ob das gelingt.

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Wie kommt der selbstbewusste grüne Aufschlag an in einem traditionsreichen Haus wie dem Wirtschaftsministerium, das sich gerne mit dem Erbe Ludwig Erhards schmückt? Gut, heißt es in Habecks Umfeld. Es gebe kaum Abwehrreaktionen gegen den Neuen und sein Team, dafür umso mehr Neugier und Veränderungslust. Viele Mitarbeiter würden es begrüßen, dass das Haus nun für Klimaschutz zuständig sei und damit an Relevanz gewinne. Das ist freilich nur eine Lesart. Der Minister selbst hat deutlich gemacht, dass die Ziele der Ampel-Koalition hoch gesteckt sind, vielleicht zu hoch. „Es ist aufgestellt zum Scheitern“, sagte Habeck beim Theaterabend. Die Ampel will den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis 2030 auf satte 80 Prozent erhöhen. Der Kohleausstieg soll bis 2030 gelingen, acht Jahre früher als bisher geplant. Auf jedes neue Dach soll eine Solaranlage gebaut und zwei Prozent der gesamten Landesfläche für Windkraft genutzt werden. Dabei hat der Bund keinen direkten Zugriff auf die Flächen, sie liegen in der Verantwortung der Länder. Warum sollte etwa der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder ein Interesse daran haben, der Ampel zu einem Erfolg zu verhelfen, indem er in seinem Bundesland mehr Windräder aufstellt? Auch Habeck kann diese Frage nicht beantworten.

In einem Interview erzählte der Minister kürzlich, was er in seinen ersten Wochen schon geschafft habe: die Corona-Überbrückungshilfen und die Kaufprämie für E-Autos verlängert, EU-Förderprogramme für Klimaschutzprojekte verhandelt, den Neuzuschnitt der Windkraftflächen in der Nordsee vorangebracht. Zu Jahresbeginn hat Habeck eine Eröffnungsbilanz zu Klimaschutz und Energiewende angekündigt. Doch die Hoffnung auf schnelle Erfolge hat der Vizekanzler schon vorsorglich geschmälert. Man werde die Klimaziele für 2022 vermutlich verfehlen, auch für 2023 werde es „schwer genug“. Denn man fange mit „einem drastischen Rückstand“ an, sagte er kurz vor dem Jahreswechsel.

Zu Jahresbeginn müssen die Grünen nun einen Balanceakt schaffen: Die EU-Kommission will Investitionen in Gas- und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einstufen. Besonders das grüne Label für Atom ist für die Anti-Atomkraft-Partei ein rotes Tuch. Auf Gas hingegen wird Deutschland angewiesen sein, bis genug Erneuerbare Energie erzeugt wird. Laut Habeck würden die EU-Pläne das Label für Nachhaltigkeit „verwässern“. Eine Zustimmung „sehen wir nicht“, sagte er am Wochenende. Auffallend oft ist von ihm zu hören, was alles nicht geht.

Für einen, der sich selbst zu Großem im Stande sieht, sind das verhalten optimistische Töne. Beim Abend im Berliner Ensemble wurde Habeck nach seinem Wunsch gefragt, was am Ende über die Ampel-Regierung und seinen Beitrag dazu geschrieben werden solle. Er erwiderte: „Am Ende wär’s schon gut, wenn da steht: Es war gut.“ Bis jetzt aber ist erst der Anfang gemacht.

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