Bundesdelegiertenkonferenz in Kiel Auf der Suche nach dem neuen grünen Weg
Irgendwie stecken die Grünen in einem Dilemma. Eigentlich können sie auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Doch der Höhenflug der Partei wurde spätestens bei den Berliner Wahlen gestoppt. Wie soll es also weitergehen, jetzt, wo etwa der Atomausstieg beschlossene Sache ist? Antworten soll die Bundesdelegiertenkonferenz in Kiel liefern, die an diesem Freitag startet.

Grünen-Konferenz: Roth und Özdemir in Kiel
"Wir haben das erreicht, was wir noch nie hatten", bilanziert die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, das Jahr 2011. "Wir sind bundesweit verankert und in allen Landtagen vertreten." Ein Erfolg, den mancher Grüner noch vor ein paar Jahren sicher nicht hätte für möglich gehalten.
Der Streit um das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 hatte der Partei einen Ministerpräsidenten im konservativen Baden-Württemberg beschert, die Atomkatastrophe von Fukushima einen enormen Zuwachs an Mitgliedern und auch Stimmen in den Umfragen. Zwischenzeitlich hatte die Partei sogar zu den Sozialdemokraten aufgeschlossen. Doch von diesen Zeiten kann die Partei derzeit nur träumen.
Derzeit bei 14 Prozent
Im aktuellen Deutschlandtrend verlor die Partei abermals einen Punkt, liegt jetzt bei 14 Prozent. Und die Piraten, die scheinbar neue Protestpartei, bleiben konstant bei sieben Prozent. "Strukturell ist das Abschneiden der Piraten das größte Problem", zitiert denn auch die "Financial Times Deutschland" Fraktionschef Jürgen Trittin nach der Wahlniederlage in Berlin. Jener Niederlage, die die bis dahin neue Harmonie bei den Grünen wieder störte.
Noch dazu ergeht sich der Berliner Landesverband seit der Wahlschlappe in öffentlichen Flügelkämpfen. Die Außenwirkung ist verheerend, die Bundespartei und viele Landesverbände sind verärgert. Doch offiziell soll es darum in Kiel gar nicht gehen, auch wenn bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Kurs in Richtung Bundestagswahl 2013 festgelegt werden soll. Es geht um Inhalte, um die Arbeit am eigenen Programm.
Aber auch da gibt es schon genügend Diskussionsstoff. Denn die Grünen, die einst so massiv für den Atomausstieg gekämpft haben, sind um ein gewichtiges Thema ärmer. Der Jubel war zwar groß, als die schwarz-gelbe Koalition das eigentliche grüne Thema zur Alltagspolitik erklärte und den Ausstieg beschloss, doch nun ist die Partei auf der Suche nach dem neuen grünen Weg.
Finanzen und Europa im Zentrum
Claudia Roth sagt im Rückblick auf dieses Jahr: "Die Menschen wissen jetzt, dass man mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben kann." Nur betrifft das eben jene Dinge, die nun weit hinter der Gesellschaft liegen. Zwar wird an diesem Freitag massiv gegen den Castor-Transport protestiert, doch es wird der letzte dieser Art sein. Zwar ist die Endlager-Lösung noch immer in weiter Ferne, doch die Menschen beschäftigt im Augenblick eher die Sorge um die eigenen Finanzen.
Wollen die Grünen also als in diesem Jahr so oft titulierte neue Volkspartei ganz oben mitspielen, dann muss es eben auch um Themen wie die Euro-Krise gehen. Und so stehen auf der Agenda in Kiel eben Dinge wie Europa, Demokratie, Wirtschafts- und Finanzpolitik, ganz ähnlich wie bei den anderen großen Parteien auch. Nur dass die Grünen bislang kaum von den Wählern als eine Partei wahrgenommen wurden, die etwa finanzpolitisch entscheidende Weichen für die Zukunft des Landes stellen kann.
Genau diese Hürden gilt es zu überwinden, ohne das eigentliche grüne Profil aus dem Auge zu verlieren. Denn das würde das Stammklientel nur von der Partei wegtreiben, jene Wähler, auf die die Partei fest bauen kann. Und diese Hürden in Richtung Zukunft gilt es zu überwinden, ohne wieder neue Gräben zwischen den Parteiflügeln aufzumachen.