Hartz-IV: Ministerpräsidenten verhandeln Auch das Herren-Trio verheddert sich

Berlin (RPO). Es war ein kurzes Aufflackern von Hoffnung auf eine rasche Einigung zu Hartz IV. Doch zwei Tage nach dem Versuch altgedienter Ministerpräsidenten von Union und SPD, die seit Wochen andauernde Verhandlungsblockade zu durchbrechen, erscheinen die Fronten wieder mindestens genauso verhärtet wie zuvor.

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Foto: dapd

Ein Desaster ist dies vor allem für die Koalition: Ihre mühsam kaschierten internen Meinungsverschiedenheiten traten nun offen zutage. Auch stehen die Bundespolitiker von Union und FDP in der Öffentlichkeit als diejenigen da, die eine mögliche Einigung verhindern.

Mit ihrem Vorstoß wollten die Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD), Wolfgang Böhmer (CDU) und Horst Seehofer (CSU) "demonstrieren, dass die Länder noch wichtig sind" und nebenbei dem Bund zeigen, "was eine Harke ist", formuliert es der frühere Regierungssprecher Thomas Steg. Auch wollten sie wohl den deutlich jüngeren Verhandlungsführerinnen Ursula von der Leyen (CDU) und Manuela Schwesig (SPD) und zugleich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorführen, wie man Kompromisse schließt.

FDP: Ministerpräsidenten "träumen"

Im kleinen Kreis verständigte sich das Trio am Dienstagabend auf Grundlinien einer möglichen Lösung, darunter eine Aufstockung der von der Regierung bislang geplanten Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes um drei Euro mehr auf insgesamt acht Euro. Genau der letzte Punkt ist jedoch für die FDP, aber auch für Teile der Unionsfraktion ein rotes Tuch. "Der Regelsatz steigt um fünf Euro pro Monat, alles andere wäre Willkür", beharrte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger, über die "Träumerei" der Länderchefs schimpfte FDP-Generalsekretär Christian Lindner.

Unmut gegenüber Seehofer

Doch auch Politiker der CDU/CSU im Bund ließen wenig Begeisterung für die Kompromissvorschläge aus den Ländern erkennen, zumal Beck damit ein prächtiger Erfolg im Landtagswahlkampf gegen seine CDU-Konkurrentin Julia Klöckner geliefert würde. "Die Bundesregierung ist überzeugt, dass Ministerin von der Leyen einen gut berechneten Regelsatz vorgelegt hat", ließ Merkel ihren Regierungssprecher Steffen Seibert knapp erklären. Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) warnte die Ministerpräsidenten vor einem "Kompromiss zu Lasten Dritter". In der CSU-Landesgruppe im Bundestag verstärkte sich unterdessen das Grummeln gegen Parteichef Seehofer. Es gebe "massiven Unmut", hieß es am Donnerstag aus Führungskreisen der CSU-Abgeordneten.

Dagegen nahm die SPD den ihr unverhofft zugespielten Ball dankbar auf: "Ich appelliere an die Fraktionen von Union und FDP, sich jetzt einer Lösung nicht zu versperren", sagte ihr Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Beck, Böhmer und Seehofer hätten "Wege gefunden, auf die sich beide Seiten ohne Gesichtsverlust einigen können", lobte er den Vorstoß der Ministerpräsidenten. Die Kompromissvorschläge gingen "in die richtige Richtung", stieß Verhandlungsführerin Schwesig ins gleiche Horn.

Schützenhilfe von Lieberknecht

Und auch die betroffenen Länderchefs zeigen wenig Neigung, sich aus Berlin in die Suppe spucken zu lassen. Die Anhebung des Hartz-Regelsatzes um acht Euro sei "keine Willkürrechnung", verteidigte Seehofer die Absprache mit seinen Ministerpräsidenten-Kollegen. Vielmehr sei er "überzeugt, dass es in der Sache und gemessen an den finanziellen Größenordnungen der richtige Weg ist". Schützenhilfe erhielt das Trio von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), die den Kollegen "ihr vollstes Vertrauen" aussprach. "Die Ministerpräsidenten sind nah bei den Menschen", fügte sie einen Seitenhieb auf die Berliner Politikszene hinzu.

Die zunächst für Donnerstag geplanten Verhandlungen wurden auf Wunsch von Union und FDP vertagt. Erst am Sonntagabend, wenn die Hamburg-Wahl gelaufen ist, wollen sich die Unterhändler wieder zusammensetzen - mit den Ministerpräsidenten, aber auch den Fraktionschefs von Koalition und Opposition sowie mit Schwesig und von der Leyen. Angesichts der völlig verfahrenen Lage dürfte dies wohl kaum die letzte Verhandlungsrunde werden.

(AFP/felt)
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