Breite Kritik an Erdogan-Vorschlag Auch Bundesregierung gegen türkische Gymnasien

Köln/Berlin (RPO). Die Bundesregierung hat die Forderung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zurückgewiesen, in Deutschland türkische Gymnasien einzurichten. "Erdogan ignoriert die Schullandschaft in Deutschland."

 Türkischer Premierminister Erdogan: "Er sticht bei uns ja auch in offene Wunden."

Türkischer Premierminister Erdogan: "Er sticht bei uns ja auch in offene Wunden."

Foto: AP, AP

Das erklärte Integrations-Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) am Donnerstag in Berlin. Türkische Gymnasien gebe es in Deutschland bereits. Spezielle Bildungsangebote für türkischstämmige Kinder und Jugendliche förderten deren Integration aber nicht.

Zu gelingender Integration sei die Beherrschung der deutschen Sprache unabdingbar, mahnte die Ministerin. "Es muss klar sein, dass die Sprache des Landes, in dem man dauerhaft lebt, gut beherrscht werden muss." Nur dann gebe es die Chance auf sozialen Aufstieg.

Die Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz, zweifelte ebenfalls am Sinn des Vorschlags. In der Realität fänden die wenigen existierenden türkischsprachigen Privatschulen in Deutschland gar nicht genügend türkischstämmige Schüler, die auf die diese Schulen gehen wollten, sagte sie im ZDF-"Morgenmagazin".

Kritik an Erdogans Vorstoß kam auch vom Deutschen Philologenverband. Dessen Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger sprach von einem "völlig falschen und zudem integrationsfeindlichen Ansatz".

Auf fehlende Deutschkenntnisse vieler türkischer Kinder dürfe man nicht mit der Etablierung eines schulischen Parallelsystems antworten. Notwendig sei vielmehr eine konsequente Integrationspolitik mit intensiver sprachlicher Frühförderung. Zugleich sprach sich Meidinger dafür aus, die Angebote für Türkischunterricht als erste, zweite oder dritte Fremdsprache an den Gymnasien deutlich

"Ich halte das nach wie vor für falsch"

Erdogan spiele jedoch mit Emotionen. "Er sticht bei uns ja auch in offene Wunden", sagte Özoguz mit Blick auf Studien, wonach Schüler mit Migrationsuntergrund in Deutschland "nicht so ganz fair und gerecht behandelt" würden.

Sie betonte aber, man müsse "immer ganz deutlich machen: Wer in Deutschland weiterkommen möchte, wer hier einen guten Job finden möchte, wer hier eine höhere Ausbildung machen möchte, der muss einfach gut Deutsch können, das ist doch klar."

Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Türkische Gymnasien sind für die Schüler eine Sackgasse." In der Lebenswirklichkeit der Kinder sei Deutsch die Alltagssprache. Türkische Gymnasien seien daher kontraproduktiv.

Der Vorsitzende des deutsch-türkischen Forums in der nordrhein-westfälischen CDU, Bülent Arslan, erinnerte daran, dass Erdogan den Vorschlag schon einmal bei seinem Auftritt in der Köln-Arena im Februar 2008 unterbreitet habe. Arslan sagte dem Blatt: "Ich halte das nach wie vor für falsch."

Solche Gymnasien "könnten die Isolation verstärken". Denn im Gegensatz zu deutschen Gymnasien in der Türkei, die vielfach von Türken besucht würden, würden türkische Gymnasien in Deutschland überwiegend von Türken besucht werden. Etwas anderes zu erwarten, sei "irreal".

Erdogan hatte in der "Zeit" sein Plädoyer mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler Türken in Deutschland begründet. "Man muss zunächst die eigene Sprache beherrschen, also Türkisch - und das ist leider selten der Fall", meinte er.

(KNA/DDP/csr)
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