Streit um den Ausstieg Atomkraftgegner warnen Grüne

Berlin (RP). Die Führung der Grünen will dem neuen Atomausstiegsgesetz der Bundesregierung zustimmen. In Teilen der Partei macht sich Enttäuschung breit. Anti-AKW-Initiativen und Umweltverbände protestieren. Die Parteibasis soll am 25. Juni bei einem Sonderparteitag abstimmen.

In der Parteizentrale der Grünen in Berlin kursierte in den vergangenen Tagen eine lustige Idee. Für den Sonderparteitag am 25. Juni in Berlin wollten die Grünen ein großes Bild mit Merkel im Strickpulli aufhängen. Das Motiv sollte demonstrieren, dass die ganze Republik irgendwie öko geworden ist. Die Parteiführung verwarf die Idee wieder. Die Grünen sind zurzeit nicht zu Scherzen aufgelegt.

Denn in der kommenden Woche steht ihnen ein schwieriger Sonderparteitag bevor. Die Grünen-Führung will die Basis davon überzeugen, dem Atomausstiegsgesetz der Bundesregierung zuzustimmen. "Für uns Grüne ist der breite Konsens möglichst aller politischen Parteien im Bundestag für den Ausstieg aus der Hochrisikotechnologie Atom ein Wert an sich", heißt es im Leitantrag für den Parteitag.

Ein Dilemma

Grünen-Chefin Claudia Roth, die im Kreis der Spitzen-Grünen am längsten mit ihrer Zustimmung gezögert hatte, lobte den Atomausstieg der Bundesregierung gestern sogar ausdrücklich. "Dass es jetzt eine stufenweise Abschaltung mit einem festen Enddatum gibt, das ist besser als der rot-grüne Konsens", sagte Roth.

Diese Äußerung zeigt das Ausmaß des Dilemmas: Die Partei, die durch das Alleinstellungsmerkmal Umweltschutz groß geworden ist, wird gerade vom einstigen Lieblingsgegner Schwarz-Gelb auf dem grünen Randstreifen überholt. Die Grünen finden das Manöver dilettantisch, kommen aber nicht um die Erkenntnis herum, dass die Richtung stimmt.

Die Grünen wissen, dass sie in der breiten Bevölkerung an Glaubwürdigkeit verlieren würden, wenn sie gegen den Atomausstieg stimmen würden. So plant die Parteiführung, dass die Grünen im Bundestag nur dem Ausstiegsgesetz zustimmen sollen. Die weiteren Vereinbarungen der Energiewende lehnen sie als "Merkel-Murks" und "Mogelpackung" ab.

Termine bei den Kreisverbänden

Schmerzlich ist für die Grünen auch, dass sich ihre treuesten Unterstützer nun von ihnen absetzen: "Die Grünen laufen Gefahr, sich ohne Not einer Regierungsvorlage anzuschließen, die ihren politischen Spielraum einschränkt", erklärte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.

Noch deutlicher wurde die Anti-Kernkraft-Organisation "ausgestrahlt". Wer einem Weiterbetrieb der Reaktoren bis 2022, einem AKW im Stand-By-Betrieb und reduzierten Sicherheitsanforderungen zustimme, könne sich nicht mehr Teil der Anti-Atomkraftbewegung nennen, sagte ein Sprecher.

In den kommenden Tagen haben viele Spitzen-Grüne Termine bei den Kreisverbänden, weil sie dort Überzeugungsarbeit leisten müssen, auch Bärbel Höhn: "Ich hätte mir ehrgeizigere Ziele gewünscht, also einen Ausstieg bis 2017", sagte sie unserer Zeitung. "Ich sehe aber nicht, wie wir dieses Ziel erreichen können, denn dafür haben wir keinen Koalitionspartner. Die SPD würde da nicht mitmachen."

"Atomausstieg ist ein Etikettenschwindel"

Besonders groß ist der Widerstand gegen das Ja der Grünen zum Atomausstieg in Niedersachsen. Wie sich der mächtige NRW-Landesverband beim Parteitag entscheidet, ist noch offen. Als Widerstandsnest gilt der Kreisverband Münster, der schon manchen Parteitag ins Wanken gebracht hat.

Aber auch Grünen-Landeschef Sven Lehmann zeigt sich noch skeptisch: "Merkels Atomausstieg ist ein Etikettenschwindel. Er lässt dutzende Hintertürchen für die Atomkonzerne offen und tritt bei der Energiewende auf die Bremse."

In der Bundestagsfraktion zeichnet sich eine Mehrheit ab, die der Atomnovelle zustimmen möchte.

Allerdings gibt es auch dort Widerstand. Der Alt-Linke Hans-Christian Ströbele hält eine Zustimmung für falsch. "Ich kann nicht immer wieder fordern, dass ein Ausstieg bis 2017 machbar und notwendig ist und mit Hunderttausenden dafür demonstrieren, um dann einfach zu sagen: Jetzt vergesst es."

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