AKW-Laufzeiten enden zum 15. April Atom-Ära wirkt über den Ausstieg hinaus

Berlin · Eigentlich hätten die letzten drei aktiven Atommeiler in Deutschland längst abgestellt sein sollen. Wegen der Energiekrise gab es Aufschub bis zum 15. April. Dann ist wirklich Schluss mit der seit 60 Jahren betriebenen nuklearen Stromproduktion. Doch mit ihren Folgen werden noch viele Generationen beschäftigt sein.

Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks (AKW) Isar 2.

Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks (AKW) Isar 2.

Foto: dpa/Armin Weigel

Kaum eine andere Technologie hat in den vergangenen Jahrzehnten zu solch kontroversen Debatten in Politik und Gesellschaft geführt wie die Nutzung der Kernenergie. Im Protest dagegen haben sich etwa die Grünen als Partei gegründet, zuletzt machte die FDP in Niedersachsen noch mit einem Plädoyer für die Atomkraft Wahlkampf. Doch der Ausstieg steht nun nach mehreren politischen Wendungen in den vergangenen Jahren endgültig fest: Am 15. April soll 60 Jahre nach dem Einstieg in die Produktion von Atomstrom wirklich Schluss sein. Dann gehen die letzten drei noch aktiven Meiler vom Netz: Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland.

Ursprünglich hätten sie schon Ende 2022 abgeschaltet werden sollen. Wegen der Energiekrise als Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine verlängerte die Ampel-Koalition die Laufzeiten bis Mitte April. Nun befinden sie sich im sogenannten Streckbetrieb. Vorausgegangen war ein heftiger Streit in dem Bündnis von SPD, Grünen und FDP. Die Liberalen wollten an der Technologie festhalten, um Energiesicherheit zu gewährleisten. Die Grünen lehnten das strikt ab. Den öffentlichen Schlagabtausch zwischen Energieminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner konnte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Ende nur mit einem Machtwort und dem Verweis auf seine Richtlinienkompetenz beenden – ein seltener Akt.

Nun ist es noch die Union, die angesichts der aktuellen Lage gegen den Ausstieg trommelt, den sie einst in Regierungsverantwortung mit der FDP beschlossen hatte. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Steffen Bilger, sagte am Donnerstag: „Das Abschalten der drei noch laufenden Kernkraftwerke zum 15. April bleibt kurzsichtig und falsch. Die Koalition ignoriert mögliche Risiken für die Versorgungssicherheit mit Strom im kommenden Winter und nimmt höhere Strompreise als nötig in Kauf.“ Der Koalitionsfrieden und die Furcht vor der grünen Parteibasis kämen Verbraucher und Wirtschaft teuer zu stehen“, so der CDU-Politiker.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) verteidigte hingegen den Schritt vor Journalisten in Berlin – trotz des noch tobenden Kriegs in der Ukraine. „Die Risiken der Atomkraft sind letztlich unbeherrschbar und deshalb macht der Atomausstieg unser Land sicherer und er vermeidet weiteren Atommüll“, sagte Lemke bei einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, sowie der Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz, Inge Paulini. Lemke rief dazu auf, sich nicht „in weiteren rückwärtsgewandten Debatten“ zu verlieren. Atomkraft bleibe eine Hochrisikotechnologie. Sie verwies auf Gefahren für Kraftwerke etwa durch Kriege. Dies finde derzeit in der Ukraine statt.

Doch der 15. April werde nach Ansicht der Ministerin nicht einen Punkt markieren, ab dem die Menschen sich mit der Atomenergie nicht mehr beschäftigen müssten. Im Gegenteil: In Lemkes Geschäftsbereich fällt neben der obersten Aufsicht über die Nutzung der Atomenergie auch die nukleare Sicherheit. Und das bedeutet, dass der oft mehr als zehn Jahre dauernde Rückbau der Atomkraftwerke genauso in ihrer Zuständigkeit liegt wie die Suche nach einem geeigneten Standort für ein Endlager. Und diese Suche lässt in den Regionen die Emotionen hochkochen, die aufgrund der geologischen Gegebenheiten tief unter der Erdoberfläche theoretisch für ein Endlager infrage kommen. Wohin mit dem Müll, den drei Generationen angehäuft haben, der aber nach Lemkes Worten noch für 30.000 Generationen gefährlich bleibt?

Dies ist der Grund, warum die Atom-Ära noch viele künftige Jahrzehnte prägen wird. Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, sagte, die Herausforderungen der Entsorgung seien in der Vergangenheit systematisch unterschätzt und auch verdrängt worden, um eine Akzeptanz für die Atomkraft herzustellen. 60 Jahre nach Beginn der Nutzung der Kernenergie in Deutschland werde es noch einmal mindestens 60 Jahre dauern, bis der Atomausstieg wirklich vollzogen sei, sagte er mit Blick auf eine sichere Endlagerung.

Bislang lagert hochradioaktiver Müll an 16 über Deutschland verteilten Zwischenlagerstandorten. Der Bundesgesellschaft für Endlagerung zufolge wird bis spätestens zur zweiten Jahreshälfte 2027 ein Vorschlag zur Eingrenzung der Suche auf bestimmte Regionen vorgelegt. Bislang sind 90 sogenannte Teilgebiete für ein Endlager im Gespräch. Alternativ gibt es Diskussionen über neue Technologien. Mithilfe von Partitionierung und Transmutation soll es etwa möglich sein, hochradioaktive Abfälle so aufzubereiten, dass sich die Strahldauer reduziert. Doch laut Behördenchef König sind neue Technologien noch nicht geeignet, den hohen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. An einem Endlager führt also bislang nichts vorbei.

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