Asylstreit in der Union Seehofer lässt die Bombe in der CSU-Zentrale platzen
München · Er sieht abgespannt aus, wirkt fast krank. Wie einer, der ganz schwer trägt an der bevorstehenden schwersten Entscheidung seines Lebens. Eine Stunde vor der Sondersitzung von CSU-Vorstand und CSU-Landesgruppe geht CSU-Chef Horst Seehofer wortlos an den wartenden Journalisten vorbei in die Parteizentrale.
So hält es später auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Per Interview hat der bereits „Zweifel“ angemeldet, ob die Beschlüsse der europäischen Staats- und Regierungschefs Realität werden. Wenig später lässt Seehofer hinter verschlossenen Türen die Bombe platzen. „Nicht wirkungsgleich“, lautet sein Urteil. Dass das von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel Erreichte die gleiche Wirkung entfalten wie die von Seehofer vorbereiteten Zurückweisungen an den Grenzen war die Bedingung dafür, dass Regierung und Union nicht platzen. Kurznachrichten mit dem Daumen-runter-Emoji verlassen die Sondersitzung.
Dann kommt das große „Aber“
Dabei haben zwei CSU-Politiker zuvor noch die Stimmung zu heben versucht. „Heute ist Tag der Franken und Franken sind immer optimistisch“, sagt Ministerpräsident Markus Söder. Aber inhaltlich hält auch er sich zurück. Manfred Weber, CSU-Vize und Chef der Konservativen im EU-Parlament, bemüht sich, das Terrain für eine Verständigung in letzter Minute zu ebnen. Die CSU habe in den letzten Wochen „Europa gerockt“, gibt er beim Reingehen zu Protokoll. Die EU sei „wirklich einen großen Schritt voran“ gekommen. Dann kommt das große Aber, mit dem Weber alles offen lässt: „Allerdings ist auch klar, dass viele der Maßnahmen nur mittel- und langfristig wirken“, stellt der europäische Vorzeige-Christsoziale fest.
Jeder weiß, wie ernst es ist. Entwicklungsminister Gerd Müller hat eine sorgfältig geplante Reise nach Libyen abgesagt. Libyen bestimmt die Mittelmeerroute mit, die die Flüchtlinge nach Europa derzeit nehmen. Und so sagt denn auch Müller, dass er wegen der zugespitzten Lage nicht gereist sei, „aber da werden die Probleme gelöst, außerhalb Europas“.
Der Masterplan stellt alles infrage
Mit ihm hat sich Seehofer ebenfalls intensiv beraten, als er seinen Masterplan entwickelt hat. Jenes 63-Punkte-Papier, das nun die Regierung, die Kanzlerschaft, die Einheit der Union, schlicht alles, was CDU und CSU wichtig ist, in Frage stellt. Über Wochen drehte sich der Streit jedoch um ein Papier, das nur Merkel, Seehofer und nach eigenem Bekunden auch Dobrindt hatten. Mehrfach erklärte Seehofer, dass er den Masterplan erst rausrücken werde, wenn er zwischen Kanzleramt und Innenministerium konsentiert sei. Dass er ihn nun dem Vernehmen nach zu Beginn der Sitzung den CSU-Vorständlern und -Abgeordneten auf die Tische legen lässt, spricht deshalb auch schon Bände zum weiteren Vorgehen.
Ist es Seehofers letzter Akt im Amt? Er bittet alle Teilnehmer der Sitzung, bis zum Schluss zu bleiben. Es werde dann noch eine „persönliche Erklärung“ geben. Der „Masterplan Migration. Maßnahmen zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“ wäre dann sein Vermächtnis. „22. 06. 2018“ steht auf dem Titel. Und der Name „Horst Seehofer, Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union.“ Nicht: Bundesinnenminister.
„Wirkungslos“ - das wichtigste Wort
Die Stimmung von der Basis hat Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer mitgebracht. Die wolle zwar klare Sprache. Aber auch der wichtigste Streit müsse mal ein Ende haben. „Auch für unsere Anhänger ist irgendwann der Zeitpunkt erreicht, an dem sie sagen: ,Jetzt reicht’s!’ Der Zeitpunkt ist jetzt gekommen.“
„Wirkungslos“ wird zum wichtigsten Wort. So sei das Gespräch am Samstag Abend mit der Kanzlerin in Berlin gewesen, berichtet Seehofer. Schon bald verdichtet sich für Teilnehmer die Annahme, dass Seehofer daraus die Konsequenzen zieht und nicht mehr länger dementiert, mit Merkel nicht mehr länger zusammenarbeiten zu können.