Zahl der Verfahren verdoppelt Asyl-Klagen bringen Justiz an ihre Grenzen

Berlin · Weil immer mehr abgelehnte Asylbewerber vor Gericht ziehen, schlagen die Verwaltungsrichter Alarm. Die Zahl der Verfahren hat sich verdoppelt, 2017 droht nochmals eine Verdreifachung.

 Eine Justizangestellte zieht im Verwaltungsgericht in Schleswig eine Akte des Bundesamtes aus dem Regal (Archivfoto).

Eine Justizangestellte zieht im Verwaltungsgericht in Schleswig eine Akte des Bundesamtes aus dem Regal (Archivfoto).

Foto: dpa, reh fdt pra

"Wir rechnen bundesweit für 2016 mit einer Verdoppelung der Asylverfahren", sagte Robert Seegmüller, Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, unserer Redaktion. In diesem Jahr könne es zu einer weiteren Verdoppelung, "vielleicht sogar zu einer Verdreifachung" kommen.

Für Nordrhein-Westfalen werde zum Beispiel für 2016 mit 47.300 Verfahren gerechnet — nach 21.300 im Jahr zuvor und 10.100 im Jahr 2013. Das bedeute über diesen Zeitraum eine Zunahme um 368 Prozent. "In einigen Bundesländern ist die Lage noch dramatischer", betonte Seegmüller.

Auch mehr Fälle an Oberverwaltungsgerichten

In Berlin habe sich die Zahl der Verfahren vervierfacht. Eine ähnliche Entwicklung gebe es in Rheinland-Pfalz und Thüringen. Anders als in den Vorjahren stieg 2016 die Zahl der Verfahren auch vor Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen.

Zusätzliche Belastungen könnten sich aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig und des Verwaltungsgerichtshofs München ergeben, die bei Klagen auf besseren Schutzstatus keinen Rückgriff auf allgemeine Begründungen mehr ermöglichen. Seegmüller: "Stattdessen wird in jedem Einzelfall eine zeitaufwendige Prüfung erforderlich werden, ob der Kläger individuell verfolgt ist."

Land Berlin in einer "prekären Lage"

Die Verwaltungsrichter loben Personalaufstockungen wie die 57 zusätzlichen Richterstellen im nordrhein-westfälischen Landeshaushalt. Es sei jedoch klar, dass angesichts der Entwicklung weitere Stellen benötigt würden. Das Land Berlin befinde sich beispielsweise in einer "prekären Lage". Die Justiz müsse derzeit zugleich mit steigenden Pensionierungszahlen zurechtkommen. Damit stoße sie überall an ihre Grenzen.

Seegmüller: "Es gibt einfach nicht genügend geeignete Bewerber." Umso mehr sei der Gesetzgeber aufgerufen, bestehende Spielräume zur Vereinfachung und Beschleunigung auszuschöpfen. So könne die Benennung weiterer sicherer Herkunftsstaaten bei der Bewältigung des Problems helfen.

(may-)
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