Streit um Armutsmigration Zuwanderung: Regierung distanziert sich von CSU-Plänen

Berlin · Die Bundesregierung hat sich von Forderungen der CSU nach einer härteren Gangart gegenüber armen Zuwanderern distanziert. "Die Freizügigkeit zählt zu den zentralen europäischen Errungenschaften - und diese Errungenschaft der europäischen Integration, die soll und muss verteidigt werden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

 Sprecher Steffen Seibert erklärt die Haltung der Regierung in Sachen Zuwanderung.

Sprecher Steffen Seibert erklärt die Haltung der Regierung in Sachen Zuwanderung.

Foto: APN

Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums warnte vor Panikmache. Die Regeln für den Bezug der Sozialleistung Hartz IV änderten sich durch die vollständige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Rumänen und Bulgaren zum 1. Januar 2014 nicht, betonte sie. Auch die EU-Kommission stellte klar, dass nach europäischem Recht nur arbeitende EU-Ausländer ein Recht auf Sozialleistungen haben.

Auslöser für die Debatte war eine Beschlussvorlage der CSU für ihre Klausur in Wildbad Kreuth. Danach will die Partei armen Zuwanderern aus EU-Staaten den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren, wie Medien berichteten. Dies solle etwa durch die Aussetzung des Leistungsbezugs für die ersten drei Monate des Aufenthaltes geschehen. Zudem fordert die CSU ein härteres Vorgehen gegen Betrüger, deren Wiedereinreise nach Deutschland verhindert werden solle. Für besondere Empörung sorgte der Satz "Wer betrügt, der fliegt", der mehreren Medienberichten zufolge in der Vorlage enthalten sein soll.

Die Freizügigkeit im europäischen Binnenmarkt liege im gemeinsamen Interesse und berge Chancen für Deutschland, sagte Seibert. "Da, wo es Missbrauch gibt, werden wir und müssen wir uns dieses Missbrauchs wehren - im Rahmen des geltenden EU-Rechts selbstverständlich", fügte er hinzu. "Und das sagt, es liegt an den EU-Mitgliedsstaaten, zunächst mal ihr nationales Sozialleistungsrecht so auszugestalten, dass Missbrauch vermieden wird". Auch der Koalitionsvertrag behandle das Thema. Darin heißt es: "Wir wollen die Akzeptanz für die Freizügigkeit in der EU erhalten. Wir werden deshalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken".

Die Sprecherin des Arbeitsministeriums wies darauf hin, dass für zuziehende EU-Ausländer ohnehin generell eine dreimonatige Sperre für Hartz IV gelte. Auch danach gebe es keine Leistungen, solange ein Ausländer aus einem anderen EU-Staat in Deutschland Arbeit suche. Erst wenn ein Ausländer eine Arbeit gefunden habe, erhalte er Anspruch auf Hilfe - etwa auf die Aufstockung eines niedrigen Lohnes, der nicht zum Leben reiche.

In Deutschland lebende Rumänen und Bulgaren seien seltener arbeitslos und erhielten auch seltener Hartz IV als der Durchschnitt der Ausländer, sagte die Sprecherin: Unter den rund sechs Millionen Beziehern von Hartz IV seien 18.000 Rumänen und knapp 20.000 Bulgaren. Damit bekämen zehn Prozent der Rumänen und Bulgaren diese Sozialleistung, während es im Durchschnitt der Ausländer 16,2 Prozent seien. Insgesamt erhielten 7,5 Prozent der Menschen in Deutschland Hartz IV.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, die CSU warne jedes mal vor einer Masseneinwanderung in die Sozialsysteme, wenn die Bürger eines weiteren EU-Landes die volle Freizügigkeit erhielten. Dadurch würden ständig ganze Bevölkerungsgruppen verunglimpft. "Und jedes Mal stellen wir hinterher fest: Na ja, hat so gar nicht stattgefunden", sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. In manchen Kommunen häufe sich die Armut tatsächlich, dort müsse rasch und unbürokratisch geholfen werden. Einfach Parolen dagegen seien für niemanden eine Hilfe.

Die EU-Kommission stellte klar, dass ein Aufnahmeland nach europäischem Recht nicht erwerbstätigen Bürgern aus anderen EU-Staaten in den ersten drei Monaten keine Sozialhilfe zahlen muss. Auch danach entstehe bei EU-Bürgern ohne Arbeit kaum ein Anspruch auf Sozialleistungen, da sie, um überhaupt ein längeres Aufenthaltsrecht zu bekommen, ausreichend finanzielle Mittel nachweisen müssten. Erst nach fünf Jahren könnten EU-Ausländer ebenso wie Einheimische Sozialhilfe beantragen. Im Falle eines Missbrauchs können EU-Ausländer ausgewiesen werden.

Die deutsche Rechtslage kann sich den Angaben zufolge allerdings vom EU-Recht unterscheiden: "Deutsche Urteile die EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht Ansprüche auf Hartz IV geben, basieren allein auf deutschem Recht", erklärte die EU-Kommission. Solche Fälle könnten die deutschen Behörden durch eine klare Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie sowie Ausweisungen beziehungsweise Wiedereinreisesperren im Falle eines Missbrauchs verhindern. Zugleich wies die Kommission darauf hin, dass Städte und Kommunen finanzielle Hilfe aus dem Europäischen Sozialfonds anfordern könnten, um soziale Probleme zu bewältigen, die durch den größeren Zuzug von Bürgern aus anderen EU-Ländern herrührten.

(REU)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort