Interview mit dem CDU-Landesvorsitzenden Armin Laschet sucht in den USA nach Ideen für NRW

New York · Ein Besuch bei Facebook, ein Gespräch mit dem milliardenschweren Investor Larry Fink, ein Plausch mit dem Chef des Jüdischen Weltkongresses, eine Diskussionsrunde mit Studenten an der Stanford Universität. Fast 40 Termine in neun Tagen. Der NRW-CDU-Chef Armin Laschet spult auf seiner USA-Reise ein beeindruckendes Pensum ab. Kurz vor seinem Treffen mit dem früheren US-Außenminister Henry Kissinger in New York nimmt er sich Zeit für ein Gespräch.

 NRW-CDU-Chef Armin Laschet tauschte sich beim Besuch in Kalifornien unter anderem mit Stanford-Studenten aus.

NRW-CDU-Chef Armin Laschet tauschte sich beim Besuch in Kalifornien unter anderem mit Stanford-Studenten aus.

Foto: Nathanael Liminski

Herr Laschet, üben Sie Ministerpräsident?

Laschet Wer Ideen für Nordrhein-Westfalen entwickeln will, der muss über den Tellerrand hinausschauen. Meine Reise hat drei Schwerpunktthemen: Zum ersten das Freihandelsabkommen mit den USA: NRW-Unternehmen sind vielfach exportorientiert - deshalb informiere ich mich über den Stand der Verhandlungen und werbe dafür. Zum zweiten die Digitalisierung: Unsere Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor großen Herausforderungen - daher diskutiere ich im Silicon Valley und mit Finanzmarkt-Experten in New York über die nächsten Trends und Entwicklungen. Und zum dritten die Zukunft des Judentums in Europa - 70 Jahre nach Kriegsende und 50 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel will ich ein Zeichen dafür setzen, dass jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen wichtig und sicher ist. Alle Stationen der Reise waren auf ihre Weise beeindruckend.

Im Silicon Valley geben sich die Politiker die Klinke in die Hand. Was kann NRW lernen?

Laschet Der Gründergeist dort ist beeindruckend. Ein junger deutscher Startup-Unternehmer von der RWTH Aachen hat es im Gespräch mit uns so auf den Punkt gebracht: In den USA wird man für die Idee belohnt, in Deutschland für den Erfolg. Diese Mentalität des Ausprobierens und vor allem auch des Nochmal-Probierens brauchen wir und das können wir auch an vielen Stellen besser unterstützen als bisher. Aber der Hype um das Silicon Valley verdeckt auch unsere Stärken.

Die wären?

Laschet Niemand organisiert industrielle Prozesse so gut wie die deutschen Unternehmen. Für uns ist daher die industrialisierte Digitalisierung, das industrielle Internet die große Chance. Ein deutsches Google ist unrealistisch. Aber gerade in NRW kann sich die Industriekompetenz mit der Digitalisierung zu einer neuen Erfolgsgeschichte für unser Land verbinden. Das würde Wachstum schaffen und damit Spielräume für gute Politik. Umso schlimmer, dass die Landesregierung mit ihrer Politik die Wirtschaft lähmt, hemmt und gängelt.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat die Digitalisierung auch für sich entdeckt. Was würden Sie konkret ändern als Regierungschef?

Laschet Ein Beispiel: Start-ups brauchen bessere Rahmenbedingungen. Dabei geht es zwar auch um Finanzierung, aber eine gute Idee bekommt auch in Deutschland Kapital. Viel mehr jedoch müssen wir für eine gründerfreundliche Verzahnung der Wirtschaft mit den Hochschulen tun. Jemand, der an unseren Universitäten exzellent forscht, geht danach oft zu einem großen Konzern. Wenn jedoch ein Teil von diesen gutausgebildeten jungen Leuten gründen würde, wäre damit viel für die Zukunftsfähigkeit unsere Wirtschaftsstandorts insgesamt getan. Dafür fehlt uns noch eine Kultur der Selbstständigkeit. Die Landesregierung hat die Kooperation der Wirtschaft mit den Hochschulen zurückgedreht. Mehr Planwirtschaft, mehr Kontrolle - das ist die Devise von Rot-Grün. So wird NRW nie ein Silicon Valley. Wir würden das Hochschulfreiheitsgesetz sofort wieder einführen.

Reglementierung ist doch parteiübergreifend Konsens. Die Gründung von Facebook wäre in Deutschland schon am Datenschutz gescheitert, die Politik will Google zerschlagen und die Taxibranche gegen Uber schützen. Verhindert nicht auch die Politik den digitalen Gründergeist?

Laschet Natürlich muss die Politik die Lust aufs Unternehmertum befördern und nicht bei jedem erfolgreichen US-Tech-Unternehmen, das nach Deutschland kommt, gleich regulatorische Bürokratie ins Spiel bringen. Nordrhein-Westfalen muss ein Land werden, das weltweit junge, kreative Menschen anzieht. Die Vorschriften von Rot-Grün wirken da wie Gift. Als Ministerpräsident würde ich sofort alle Vorschriften abschaffen, die wirtschaftliches Wachstum verhindern wie das Tariftreuevergabegesetz oder das Klimagesetz. Wir müssen außerdem massiv in Infrastruktur investieren, in die klassische und die digitale Infrastruktur. Bayern gibt bis 2018 zwei Milliarden Euro für Breitbandausbau, NRW 70 Millionen. Das sagt doch alles. Gerade in den ländlichen Regionen, wo viele Weltmarktführer sitzen, gibt es kein schnelles Internet. Krafts Politik gefährdet unseren Wirtschaftsstandort.

Frau Kraft setzt doch etwa beim Landesentwicklungsplan, beim Tariftreuegesetz, verstärkt auf einen wirtschaftsfreundlichen Kurs.

Laschet Vieles davon sind bisher nur Ankündigungen. Und weniger schlimm ist noch nicht gut. Der Koalitionsvertrag wimmelt nur so von Bürokratie und Regulierungen. Wirtschaftskompetenz kann man nicht herbeireden. Frau Kraft regiert dieses Land deutlich unter Wert. Nicht nur in der Wirtschaftspolitik. In verschiedenen Rankings etwa in der Bildungspolitik, bei der Kinderbetreuung ist NRW abgeschlagen. Nordrhein-Westfalen ist immer hinten, nur Bremen liegt manchmal noch dahinter. Wir wollen aber auch mal Bayern schlagen und vorne sein.

In der Energiepolitik kämpfen sie beide für die klimaschädliche Braunkohle.

Laschet Frau Kraft hat nach langem Herumeiern unsere Position übernommen, das freut mich. Gabriels Braunkohle-Abgabe, die gezielt den einzigen heimischen wettbewerbsfähigen Energieträger aus dem Markt drängt, ist ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. Die Abgabe muss vom Tisch. Sie wird auch nicht kommen.

Sie werben hier auch intensiv für das Freihandelsabkommen TTIP. 40 Prozent der Deutschen lehnen laut Befragungen den Vertrag ab, weil sie eine Absenkung der Standards und Klagen aus den USA fürchten. Warum braucht Deutschland das TTIP?

Laschet Wir brauchen das Abkommen dringender als die Amerikaner. Eine exportgetriebene Wirtschaft wie die nordrhein-westfälische ist auf effiziente Handelsabwicklung angewiesen. Unsere Weltmarktführer in Ostwestfalen oder im Sauerland brauchen solche Abkommen, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Das TTIP ist ein Wohlstandstreiber für NRW. Und wenn TTIP nicht kommt, wendet sich die USA endgültig dem pazifischen Raum zu und Europa wird abgekoppelt. Dann werden die Standards von anderen gesetzt. Wir können jetzt unsere ökologischen und sozialen Standards in die Waagschale werfen. Außerdem sind viele Sorgen unbegründet. Die EU sichert bei den Verhandlungen wichtige deutsche Errungenschaften wie die kommunale Daseinsvorsorge, kulturelle Fragen wie die Buchpreisbindung oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Wann soll das Abkommen fertig sein?

Laschet Der US-amerikanische Chefverhandler will bis zum Ende diesen Jahres mit den Verhandlungen fertig sein. Das ist anspruchsvoll, aber wenn sich die Verhandlungen bis in den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 ziehen, ist das Abkommen gefährdet.

In der Berliner Koalition kriselt es, das Vertrauen sinkt. War's das mit Schwarz-Rot?

Laschet Die Union sollte sich durch die Angriffe der SPD nicht kirre machen lassen. Die Bürger honorieren ein solches Theater nicht.

In der BND-NSA-Affäre macht die Kanzlerin derzeit aber keinen vertrauenserweckenden Eindruck. Sie vertrauen ihr?

Laschet Natürlich. Die konkreten Details müssen in den Kontroll-Gremien aufgeklärt werden. Dass wir in Deutschland seit Jahren keinen Terroranschlag erlebt haben, ist auch der guten Zusammenarbeit der Geheimdienste zu verdanken. Das darf man nicht vergessen.

Die Hoffnung der Bundesregierung auf ein No-Spy-Abkommen war doch illusorisch?

Laschet Das wird man weiter verhandeln müssen. Aber die USA werden sicher nicht ihren Geheimdienst abschaffen, weil wir es so wollen. Wir können sie auch nicht zu einem Abkommen zwingen, dazu gehören immer zwei Seiten.

Das Interview führte Michael Bröcker.

(brö)
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