Zweite Reihe wider WillenMatte Lichtgestalt: Roland Kochs verblasster Glanz
Wiesbaden (rpo). Für Roland Koch begann das Jahr 2003 überaus erfolgreich. Der CDU-Spitzenpolitiker verteidigte sein Amt als Ministerpräsident in Hessen mit einer absoluten Mehrheit. Doch im Jahresverlauf verblasste der Glanz des "Möchtegern-Kanzlerkandidat" immer mehr.Koch traf sogar unverhofft mit US-Präsident George W. Bush zusammen. Auch einen viel beachteten Vorschlag zum Subventionsabbau, den er gemeinsam mit seinem parteipolitischen Gegner und NRW-Amtskollegen Peer Steinbrück (SPD) ausgearbeitet hat, konnte er auf der Haben-Seite verbuchen. Doch der anfängliche Glanz verblasste im Jahresverlauf. „Matte Lichtgestalt“ nannte ihn deswegen vor einigen Wochen das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Parteiintern steht der als Möchtegern-Kanzlerkandidat gehandelte Hesse im Schatten seiner ewigen Konkurrentin Angela Merkel - die Parteichefin ist spätestens seit dem Bundesparteitag Anfang Dezember der unbestrittene Star der CDU. Und bei den entscheidenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss Mitte Dezember gehörte Koch nicht zu der entscheidenden Gruppe, die den Kompromiss von Regierung und Opposition letztlich aushandelte. Parteisoldat in der zweiten ReiheZusätzlich sieht sich Koch auf Landesebene seit Wochen heftigen Protesten wegen eines Sparpaketes über eine Milliarde Euro ausgesetzt. Der ambitionierte Hesse als Parteisoldat in der zweiten Reihe statt als rhetorisch glänzender und mit sicherem politischen Instinkt ausgestatteter Machtpolitiker - das gab es in dieser Form noch nie, seit der frühere „junge Wilde“ 1999 im einstigen SPD-Stammland Hessen an die Macht gelangte. Die Erklärung für die jüngste Entwicklung hat zwei Namen: zum einen Angela Merkel und zum anderen Roland Koch selbst. Je erfolgreicher Merkel auf ihren Führungsanspruch pocht, umso weiter muss Koch zurückstehen. Zudem hat sich der hessische Regierungschef nach Einschätzung von Beobachtern mit seiner strikten Ablehnung jeglicher Neuverschuldung für ein Vorziehen der Steuerreform selbst ins Abseits manövriert. Dass am Ende herauskam, dass mehr als ein Viertel der Entlastung auf Pump finanziert wird, sprach eine deutliche Sprache, wer sich Unions-intern mit seiner Haltung nicht durchsetzen konnte. Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass das Koch-Steinbrück-Papier zum Subventionsabbau bei der Gegenfinanzierung eine wichtige Rolle spielte. Koch habe sein Gespür verlassenDen begabten Machtpolitiker, der Politik zu Hause am Küchentisch gelernt hat, habe sein Gespür verlassen, wurde schon gemunkelt. Zudem musste Koch als hessischer CDU-Vorsitzender in der Antisemitismus-Affäre um den Fuldaer Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann den braven Parteisoldaten geben. Auf Merkels Umschwenken in Richtung Fraktionsausschluss reagierte Koch mit der Ankündigung, nun müsse konsequenterweise auch ein Parteiausschlussverfahren folgen. Und auch der Regierungsalltag in Hessen dürfte momentan trotz absoluter Mehrheit im Landtag nicht eben vergnügungssteuerpflichtig sein. Koch hat zwar seinen Spar-Haushalt 2004 durch das Parlament gebracht. Doch seit er das Eine-Milliarde-Euro-Sparpaket Anfang September medienwirksam verkündet hat, reißen die Proteste von Gewerkschaftern, Studierenden und sozialen Organisationen nicht ab. Bei ersten sozialen und Umwelt-Institutionen ist sogar von Schließung und Insolvenz die Rede. Steilvorlage zur KritikZusätzlich lieferte das Kabinett Koch der Opposition eine Steilvorlage zur Kritik. Da wollte das Land einem angeblich in wirtschaftliche Not geratenen Adeligen aus dem Odenwald dessen Schloss mitsamt Waffen- und Kunstsammlung abkaufen und der Grafenfamilie ein dauerhaftes, kostenloses Wohnrecht in dem Gebäude einräumen. Auf empörte öffentliche Kritik und unvorsichtige Äußerungen des Grafen zur eigenen wirtschaftlichen Lage reagierte die Regierung, indem sie das Projekt kurz vor Weihnachten gerade eben noch auf Eis legte. Zudem riskiert Koch gerade, etwas zu machen, was schon die jüngste rot-grüne Landesregierung viel Vertrauen im Land und letztlich die Macht kostete: Er spart jetzt auch bei den Schulen, die sein Kabinett in der ersten Amtszeit noch päppelte. Das könnte für ihn zur Zwickmühle werden: Will er 2006 Unions-Kanzlerkandidat werden, muss er als Empfehlung geordnete Finanzen auf Landesebene mitbringen. Bleibt er in Hessen und setzt den Sparkurs bei Lehrern und Schülern fort, muss er mit der Quittung enttäuschter Eltern und Pädagogen auf dem Wahlzettel bei der nächsten Landtagswahl rechnen.