Rund fünf Millionen ohne Arbeit Arbeitslosenstatistik: So wirkt Hartz IV

Düsseldorf (rpo). Die Zahl der Arbeitslosen wird in der morgigen Statistik die Fünf-Millionen-Grenze überschreiten. Ein Grund dafür ist Hartz-IV. Doch einige Leistungsbezieher fallen durch die Arbeitsmarktreform auch aus der Statistik heraus. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit könnte allerdings noch höher sein, als die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlichen Zahlen.

Was sich 2006 bei Hartz IV ändert
Infos

Was sich 2006 bei Hartz IV ändert

Infos
Foto: AP

"Im Januar werden wir schreckliche Zahlen bekommen." Mit diesem Statement sorgte Wirtschaftsminister Clement in der vergangenen Woche für Aufsehen. Hintergrund seiner dramatisch anmutenden Prognosen für die Arbeitslosenzahl im Januar ist der Hartz-IV-Effekt. Da Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II zusammengelegt wurden, mussten erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger sich 2005 erstmals bundesweit arbeitslos melden, um Leistungen zu erhalten.

Bis Dezember war die Meldung bei der Arbeitsagentur in das Belieben der Kommunen gestellt. "Da gab es Städte, die sich intensiv um die Vermittlung gekümmert haben und an andere, bei denen die Sozialhilfe-Empfänger auf sich selbst gestellt waren", erläutert Ulrich Waschki, Pressesprecher der BA auf Anfrage von RP Online.

Zu den von der BA geschätzten rund 300.000 durch Hartz IV neu in der Statistik auftauchenden Bundesbürgern zählen auch arbeitsfähige Angehörige, die bisher von einem Arbeitslos gemeldeten Haushaltsvorstand versorgt wurden. "Das sind beispielsweise Ehefrauen von Männern, die eine hohe Arbeitslosenhilfe erhielten", sagt Waschki. Grund sei das neue Prinzip der Bedarfsgemeinschaft. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören neben dem Lebenspartner auch die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines minderjährigen unverheirateten erwerbsfähigen Kindes und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils.

Dieses Prinzip führt aber auch dazu, dass Partnereinkommen berücksichtigt werden. Damit bekommen alle, deren Lebengefährte gut verdient keine Leistungen mehr und fallen aus der Statistik. "An der Grundlage der Statistik ändert sich nichts, die Arbeitslosen werden weiterhin wie bisher gezählt", stellt der BA Sprecher klar. Arbeitslos ist also, wer weniger als 15 Stunden arbeitet und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Deshalb fallen auch alle Ein-Euro-Jobber aus der Statistik, denn für sie gelten die gleichen Regeln wie für andere arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, sprich Umschulungen oder Weiterbildungen. Auch Alleinerziehende werden weiterhin nicht als Arbeitslose gelten.

Doch die hohen Zahlen lassen sich nicht allein durch einen Hartz-IV-Effekt erklären. Die Arbeitslosenzahl steigt wegen der wetterbedingten Arbeitslosigkeit in den Außenberufen und der Kündigungstermine zum Jahresende ohnehin von Dezember auf Januar regelmäßig deutlich - im vorigen Jahr etwa um 280.000. In diesem Jahr kommt jedoch die Arbeitsmarktreform hinzu.

Dennoch rechnet Privatdozent Dr. Alexander Spermann nicht mit so dramatischen Zahlen. Der Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung im Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hält die Schreckenszenarien eher für einen geschickten Schachzug: "Wird die Zahl unterschritten, ist es doch nicht so schlimm wie befürchtet, wird sie überschritten, hat man ja bereits Erklärungen angeboten und die Öffentlichkeit vorbereitet." Die ILO-Zahlen, die am 1. März veröffentlicht werden, dürften deutlich unter vier Millionen liegen", sagt Spermann. Dann hätten die Politiker, so der Experte, wieder eine positive Nachricht anzubieten, obwohl die tatsächliche Arbeitslosigkeit nach dem Konzept des Sachverständigenrats sich jedoch auf etwa sechs Millionen Menschen beläuft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort