Doppelte Abi-Jahrgänge und Aussetzung der Wehrpflicht Ansturm auf die Unis

Berlin (RP). Das Aussetzen der Wehrpflicht und die doppelten Abiturjahrgänge in einigen Ländern führen zu einem Massenandrang an den Unis. Nicht alle Bewerber werden einen Studienplatz bekommen.

 Die Unis rechnen mit hohem Ansturm.

Die Unis rechnen mit hohem Ansturm.

Foto: dapd, dapd

An den Universitäten wird es im kommenden Semester eng. Die Hochschulen erwarten etwa 60 000 Bewerber mehr als noch im vergangenen Jahr. Trotz neu geschaffener Studienplätze dürften viele leer ausgehen. Denn es gibt nur rund 450 000 Plätze für die insgesamt 500 000 potenziellen Studienanfänger.

Die Folge: Der Zugang zur Hochschule wird erschwert. An vielen Universitäten sind die Numerus-Clausus-Anforderungen gestiegen. Wenn immer mehr Einser-Abiturienten um die knappen Plätze konkurrieren, steigt der NC. Beispiel Düsseldorf: An der Heinrich-Heine-Universität wurde der NC für Psychologie von 1,3 auf 1,2 für das Wintersemester verschärft, für Medien- und Kulturwissenschaften wird nun ein Abiturdurchschnitt von 1,3 statt vorher 1,4 gefordert. Wer Betriebswirtschaftslehre studieren will, braucht nun einen Notendurchschnitt von 1,5 statt vorher 1,6.

Zahlreiche Doppelbewerbungen

Die Universitäten verzeichnen eine Zunahme der Bewerbungen von 20 bis 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Düsseldorf meldet sogar einen Anstieg um 70 Prozent, darunter sind auch zahlreiche Doppelbewerbungen. Angesichts der Knappheit der Plätze bewerben sich viele Schulabgänger gleich auf mehrere Fächer.

Experten gehen davon aus, dass der Strom auch in den nächsten Jahren nicht abreißt. Sie fordern mehr Geld für die Universitäten, aber auch mehr Flexibilität der Studenten bei der Wahl ihres Studienorts.

Aussetzung der Wehrpflicht

Der rasante Anstieg der Bewerber in diesem Jahr hat mehrere Gründe: Erstmals drängen doppelte Abiturjahrgänge aus Bayern und Niedersachsen an die Hochschulen. Für Nordrhein-Westfalen wird dies 2013 der Fall sein. Zudem führt die Aussetzung der Wehrpflicht dazu, dass sich viele junge Männer nun vorzeitig für ein Studium entscheiden.

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, warnte: "Es gibt an den Universitäten zu wenig Professoren und Dozenten für einen solchen Ansturm." Es sei ein wichtiger Unterschied, ob man als Student mit 20 oder mit 200 Leuten ein Seminar besucht. "Wir werden die Qualität der Lehre hochhalten", kündigte Wintermantel an. Aber: "Die Hochschulen sind unterfinanziert." Vor allem in den großen Fächern Medizin, Betriebswirtschaftslehre und Jura gebe es nicht genügend Plätze für alle Interessenten.

Flexibel sein ist gefragt

Nicht alle Universitäten werden überrannt: Nach Auskunft des Hochschulinformationsservice (HIS) gibt es an den Unis in den neuen Ländern noch genügend freie Plätze. An der Freien Universität in Berlin hingegen sind alle Fächer bis auf die Bachelor-Studiengänge Mathematik und Physik mit einem NC belegt. "Die Frage wird sein, ob die Studienanfänger flexibel genug sind, um sich im Zweifel einen Platz in den neuen Ländern zu suchen", sagte Christoph Heine von der Studienforschung des HIS.

Viele Universitäten haben ihre Plätze aufgestockt. In Düsseldorf stieg die Zahl der Studienplätze für Erstsemester von 2245 im Vorjahr auf nun 2556. Einige Universitäten bieten Lehrveranstaltungen in den Abendstunden und an Samstagen an. Manche Hochschulen suchen sich auch Ausweichquartiere in Stadthallen und Theatersälen.

Mehr Arbeit für Professoren

Auch an der Leibniz-Universität im niedersächsischen Hannover machen sich die doppelten Abiturjahrgänge bereits bemerkbar: Dort rechnet man mit etwa 4500 Studienanfängern mehr als im vergangenen Jahr. Statt acht müssen die Professoren ab dem kommenden Semester neun Semesterwochenstunden Unterricht anbieten. Lehrveranstaltungen werden wegen knapper werdender Räume vermehrt am späten Nachmittag stattfinden. "Nur selten müssen aber die Abendstunden und die Samstage genutzt werden", sagt Präsident Erich Barke. Er gehe davon aus, "dass jeder, der hier studieren möchte, auch einen Platz bekommt".

Das wird allerdings nicht überall der Fall sein, ist Florian Pranghe sicher. Der Chemiestudent und Vorsitzende des freien Zusammenschlusses der Studentinnenschaften, dem Dachverband der Studierendenvertretungen in Deutschland, geht davon aus, dass sehr viele Interessenten keinen Platz erhalten werden. Er kritisiert, dass ein geplantes zentralisiertes Zulassungsverfahren noch nicht funktioniert. "Deshalb erhalten viele dann erst zum Ende des Semesters ihren Platz. Das läuft sehr chaotisch."

Ausbau der Angebote

Bund und Länder wollen mit dem sogenannten zweiten Hochschulpakt bis 2015 jährlich 4,7 Milliarden Euro bereitstellen, um auf den Ansturm zu reagieren. Dadurch sollten bis zu 335 000 zusätzliche Studienplätze entstehen, betonte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). "Die Länder haben ebenfalls zugesagt, dass sie ihre finanziellen Anstrengungen beim Ausbau der Studienangebote steigern werden", sagte Schavan unserer Redaktion. "Wir erwarten, dass diese Zusage eingehalten wird."

Allein NRW erwartet zwischen 2011 und 2015 rund 90 000 zusätzliche Studierende. Für den Aufbau neuer Plätze stellen Bund und Land gemeinsam 1,8 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung, erklärte das Wissenschaftsministerium. Wegen des Wegfalls der Wehrpflicht sollen zum kommenden Wintersemester zusätzlich 5500 neue Plätze geschaffen werden.

Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) versprach: "Um die wachsende Studiennachfrage gut zu meistern, gibt Nordrhein-Westfalen nicht nur Geld in die Hochschulen, sondern wir stehen ihnen in dem Prozess auch zur Seite."

(RP)
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