Aus der Wirtschaft hagelt es Kritik Anspruch auf bezahlte Pflegezeit ab 2015

Berlin · Die Bundesregierung will Berufstätigen die Pflege von Angehörigen erleichtern. Sie erweitert dafür den Rechtsanspruch für Pflegende, eine bezahlte Auszeit vom Beruf zu nehmen. Aus der Wirtschaft hagelt es prompt Kritik.

Aus der Wirtschaft hagelt es Kritik: Anspruch auf bezahlte Pflegezeit ab 2015
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Wer berufstätig ist und nebenbei einen Angehörigen pflegen muss, ist doppelt belastet. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte diese pflegenden Menschen einmal die "stillen Helden" unserer Gesellschaft. Und weil das immer mehr Personen betrifft, will ihnen die große Koalition nun unter die Arme greifen: Ab dem kommenden Jahr sollen Arbeitnehmer bei einem plötzlich auftretenden Pflegefall in der Familie zehn Tage lang eine Auszeit vom Job nehmen können - und zwar bezahlt. Das kündigte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) gestern in Berlin an. Heute wird das Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschieden.

Zwar gab es für Berufstätige auch bisher die Möglichkeit, in einem akuten Notfall zehn Tage lang dem Arbeitsplatz fernzubleiben, allerdings war das immer unbezahlt. 100 Millionen Euro hat Ministerin Schwesig nun für die künftigen Lohnersatzzahlungen zehntägiger Auszeiten eingeplant. Das Geld stammt aus den Mehreinnahmen, die eine Anhebung der Pflegebeiträge ab Januar einbringen wird. Den berufstätigen Pflegenden sollen damit in der ersten kurzen Auszeit bis zu 90 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgezahlt werden können.

Zehn Tage dürften aber gerade einmal ausreichen, um nach dem Notfall wichtige Fragen in der Familie zu besprechen, Beratung einzuholen und nötige Formalitäten zu klären - wenn überhaupt. Deswegen wird die Koalition im Rahmen des Gesetzes weitere Änderungen bei der sogenannten Pflegezeit und der Familienpflegezeit beschließen.

Die Pflegezeit umfasst eine bis zu sechsmonatige Freistellung vom Job - teilweise oder vollständig. Und es soll, das ist neu, für diese Zeit künftig einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen für den Lohnersatz geben. Geldgeber ist das Bundesamt für Familie, das die monatlich ausbezahlte Darlehenssumme nach dem Ende der Pflegezeit in Raten zurückverlangt. Wichtig: Wer sechs Monate für die Pflege eines Angehörigen pausieren will, muss das seinem Arbeitgeber spätestens zehn Tage vor dem eigentlichen Ausstieg mitteilen.

Das zweite Angebot umfasst die bis zu zwei Jahre lange Familienpflegezeit. Auch für diese Auszeit werden abhängig Beschäftigte einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen bekommen sowie einen Rechtsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber, die Pause für die Angehörigenpflege tatsächlich nehmen zu können. Während der 24 Monate gilt für die Pflegenden ein Kündigungsschutz. Allerdings muss der Arbeitnehmer während der Familienpflegezeit mindestens 15 Stunden pro Woche im Betrieb arbeiten und die geplante Auszeit dem Arbeitgeber spätestens zwölf Wochen vor Beginn ankündigen.

Eine echte Neuerung bringt das Gesetz auch mit Blick auf den Personenkreis, für den Angehörige Pflegezeit beantragen können. So zählen künftig zum Beispiel auch Stiefeltern, der Schwager oder Partner in homosexuellen Partnerschaften dazu, die keine eingetragenen Lebenspartnerschaften sind.

Das Familienministerium geht in seinen Prognosen unterdessen davon aus, dass im Jahr 2018 rund 7000 Menschen die Möglichkeiten zur Arbeitszeitreduzierung nutzen könnten. 4000 könnten sich demnach für das Darlehen entscheiden. Die Familienpflegezeit hatten im vergangenen Jahr nur rund 150 Menschen in Anspruch genommen - wohl vor allem, weil es dafür keinen Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber gab. Nach Angaben des Ministeriums gibt es zurzeit rund 400 000 Berufstätige in Deutschland, die einen Angehörigen pflegen.

Die Opposition kritisierte die Pläne als unzureichend. "Die große Koalition springt zu kurz und lässt zugleich die Arbeitgeber bei der Finanzierung außen vor", sagte Sabine Zimmermann von der Linken.

Und auch aus der Wirtschaft hagelt es Kritik. "Mit dem vorgesehenen Rechtsanspruch auf eine teilweise Freistellung von der Arbeit für die Dauer von bis zu 24 Monaten wird ein weiterer befristeter Teilzeitanspruch geschaffen, der kostenträchtige und nur schwer handhabbare Regelungen bedeutet", kritisierte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Ein neues bürokratisches Gesetz sei nicht notwendig.

Lob kam hingegen vom Sozialverband VdK. Verbandspräsidentin Ulrike Mascher sagte: "Es hat sich gezeigt, dass freiwillige Lösungen in weiten Teilen nicht gegriffen haben. Sich nur auf den guten Willen der Unternehmen zu verlassen, war der falsche Weg." Sie kritisierte jedoch, dass Kleinbetriebe mit weniger als 15 Mitarbeitern vom Gesetz ausgenommen werden. Für Arbeitnehmer in solchen Unternehmen gelten die neuen Regeln nicht.

(jd)
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