Debatte um Sicherheit Videoüberwachung kann auch den Tätern helfen

Berlin · Was hilft gegen Terror? Den Ruf nach schärferen Gesetzen beantworten Datenschützer mit einer Warnung vor Kameras auf Straßen und Plätzen. Denn damit diese böten Tätern auch eine größere Bühne.

Videobeobachtung in Duisburg-Marxloh
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Foto: dpa, rwe vge

Der Ruf nach mehr Videoüberwachung als Folge des Terroranschlags in Berlin stößt bei Juristen und Datenschützern auf Widerstand. Mehr Kameras führten in der Regel nicht zu mehr Sicherheit, erklärte der Anwaltverein am Dienstag in Berlin. Der Richterbund warnte, die Überwachung könne die Freiheit von Bürgern einschränken, gegen Grundrechte verstoßen und Terroranschläge womöglich sogar begünstigen: Täter könnten gezielt videoüberwachte Plätze aufsuchen, "um ihre Taten für eine breite Öffentlichkeit besser sichtbar zu machen", sagte der Verbandsvorsitzende Jens Gnisa.

"Selbstmordattentäter legen es darauf an, Bilder zu produzieren", sagte auch der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar im Inforadio des rbb. Bedenken äußerten mehrere Datenschutzbeauftragte, unter anderem in Bayern, Brandenburg und Niedersachsen. Die Forderung nach mehr Kameras auch auf öffentlichen Straßen und Plätzen war nach dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin laut geworden.

Der Attentäter, der mit einem Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt gerast war und zwölf Menschen getötet hatte, war den Ermittlern zunächst entwischt. Die Polizei hatte nach der Tat die Bürger dazu aufgefordert, Handy-Videos und Bilder zur Verfügung zu stellen.

Der mutmaßliche Täter Anis Amri war über Frankreich nach Italien geflohen und am Freitag in Mailand von der Polizei erschossen worden. Ein Bild aus einer Überwachungskamera zeigte, dass der Tunesier den Bahnhof von Mailand passiert hatte. Der 24-Jährige wurde am Freitag um 0.58 Uhr gefilmt, wie die Polizei in Rom mitteilte. Von dort soll er mit dem Bus weitergefahren sein. Das bestätigte die italienische Polizei zunächst nicht.

Die CSU-Landesgruppe verlangte unter anderem härtere Strafen für "Gefährder" sowie eine Ausweitung der Datenspeicherung und der Überwachung. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt: "Wir brauchen keinen Aktionismus. Aber die Politik darf sich auch nicht verstecken, sondern sie muss die Diskussion darüber führen, ob alles getan wird, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten."

Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte die Bundesländer zu mehr Videoüberwachung auf. Dass die Mehrheit der Bevölkerung dies wolle, habe etwas "mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen" zu tun, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Eine YouGov-Umfrage hatte ergeben, dass rund 60 Prozent der Deutschen für mehr Überwachungskameras sind.

Baden-Württembergs Innenministers Thomas Strobl (CDU) sagte am Dienstag: "Videoüberwachung hilft nicht nur Straftaten aufzuklären, Videoüberwachung schreckt auch ab und verhindert Straftaten."

Dagegen warnte der Chaos Computer Club (CCC) vor einem vernetzten System. "Dann wäre die Vollüberwachung, die wir im Internet schon haben, auch in der Öffentlichkeit Realität", sagte CCC-Sprecher Linus Neumann am Rande des 33. Chaos Communication Congress in Hamburg.

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, seine Partei stelle sich nicht "pauschal" gegen Videoüberwachung. Diese könne bei der Aufklärung von Verbrechen helfen, sei aber kein Allheilmittel bei der Verbrechens- oder Terrorismusbekämpfung.

(bur/dpa)
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