Annegret Kramp-Karrenbauer Von wegen Mini-Merkel

Hamburg · Mit einer starken Rede, einem klugen parteiinternen Wahlkampf und einem breiten Angebot an Themen hat sich Annegret Kramp-Karrenbauer an die Spitze der CDU gesetzt und ist endgültig aus dem Schatten der Kanzlerin getreten. Jetzt warten zwei große Aufgaben auf sie. Ein Kommentar.

Annegret Kramp-Karrenbauer: Von wegen Mini-Merkel
Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

Zwei große Aufgaben muss die neue Vorsitzende, die vielleicht nicht 2019, aber dann doch 2021 Bundeskanzlerin werden will, jetzt anpacken. Sie muss eine Antwort auf die europapolitischen Vorschläge von Emmanuel Macron finden und der Bevölkerung sagen, wo Deutschland auf Souveränität verzichten will, wo mehr Europa auch mehr finanzielle Ressourcen bedeuten könnte und wo dabei die Grenzen liegen. Letzteres ist wichtig. Eine EU, die sich mit den großen Wirtschaftsregionen USA und China messen will, muss auf Wettbewerbsfähigkeit setzen, auf solide nationale Haushalte und ein klares Bekenntnis zu Innovation. Manche Vorschläge, etwa der einer europäischen Arbeitslosenversicherung, gehören nicht zu einer solchen Fitnesskur. Und die neue CDU-Chefin muss helfen, das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederzubeleben. Dazu gehört eine konsequente Strafverfolgung, eine Stärkung der Justiz und der Polizei. Das Thema Flüchtlinge braucht keine grundsätzliche Aufarbeitung, wie es Kramp-Karrenbauer mit Blick auf 2015 gefordert hatte. Es reicht, wenn das Land die Politik zwischen Asylrecht und Fachkräftezuzug über das Einwanderungsgesetz ernst nimmt, abgelehnte Asylbewerber konsequent abschiebt und null Toleranz bei gewaltbereiten jungen, männlichen Flüchtlingen zeigt.

Entscheidend wird auch sein, wie Kramp-Karrenbauer ihre Rolle an der Seite ihrer Vertrauten, der Bundeskanzlerin, wahrnimmt. Inhaltliche Profilierung und zugleich Stabilität für die Koalition ist im Alltag eine Gratwanderung. Für Angela Merkel ist die Wahl Kramp-Karrenbauers optimal, sie kann wahrscheinlich bis 2021 regieren, wenn die SPD nicht den Stecker zieht. Für das politisch linke Lager ist die neue CDU-Vorsitzende eine schlechte Nachricht. Ein schneidiger neuer Chef Merz hätte Rot-Rot-Grün mobilisiert. Kramp-Karrenbauer eignet sich mit ihrem fairen und unprätentiösen Politikstil nicht als Hassfigur. Es komme auf die „innere Stärke, nicht äußere Lautstärke“ an, sagte sie in ihrer besten Passage in der Bewerberrede. Das ist vielleicht doch der einzige Punkt, in dem Kramp-Karrenbauer Angela Merkel ähnelt. Das hat ihr nicht geschadet.

(brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort