CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer Reden ist Silber, Zuhören ist Gold

Saarbrücken/Magdeburg · Annegret Kramp-Karrenbauer will das Vertrauen der Wähler für die CDU zurückgewinnen. In ihren ersten 100 Tagen als Generalsekretärin hat die Saarländerin die Parteizentrale bereits umgebaut. Doch das ist erst der Anfang.

 100 Tage als Generalsekretärin im Amt: Annegret Kramp-Karrenbauer.

100 Tage als Generalsekretärin im Amt: Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Hier im Osten erlebt Annegret Kramp-Karrenbauer das Kontrastprogramm. Die neue CDU-Generalsekretärin aus dem tiefen Westen ist am Freitag in Magdeburg schon seit einiger Zeit im Raum, einem schön sanierten Industriegebäude, aber sie wird von den Parteimitgliedern nicht gleich wahrgenommen. Man hat die schlanke Frau mit den kurzen braunen Haaren gar nicht ankommen hören und sehen. Sie rauscht nicht mit einem großen Tour-Bus an, es gibt keine Empfangsmusik. Kramp-Karrenbauer ist einfach da.

Es ist die 16. von 40 Stationen dieser Zuhör-Tour, auf der sie durch das Land reist, um mit Parteimitgliedern über brisante Themen zu sprechen. Daraus soll bis 2020 ein neues Grundsatzprogramm entstehen, das jetzige stammt von 2007. Damals wurde während Parteiveranstaltungen noch nicht mit Smartphones und Tablets parallel getwittert, gemailt oder gesurft.

Vorsichtiges Abtasten

Rund 100 CDU-Mitglieder sind an diesem heißen Tag gekommen, füllen Kärtchen aus, die an eine blaue Stellwand geheftet werden. Darauf steht: Migration, Wirtschaft, Bildung, Europa, Arbeit, Soziales, Innere Sicherheit. Man merkt der Diskussion an, dass sich die Saarländerin und die Ostdeutschen noch fremd sind. Die Distanz, das vorsichtige Abtasten ist spürbar. Eine Woche zuvor war Kramp-Karrenbauer in ihrer Heimat mit großem Hallo begrüßt worden. Das Saarland hat den höchsten Organisationsgrad der CDU bundesweit, Sachsen-Anhalt den niedrigsten. Schon am Eingang der für diesen Zweck des Zuhörens genutzten Ballettschule in Saarbrücken bildeten sich Menschenmengen um sie herum. Kaum eine Frau oder ein Mann der 300 Gäste, den die frühere Ministerpräsidentin des kleinsten deutschen Flächenlandes nicht persönlich kannte.

In Magdeburg fordert eine Frau die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. Ein heikles Thema für die CDU, seit die Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel bei einem Parteitag den Kritikern des Doppelpasses unterlegen war. Kramp-Karrenbauer scheint solche Momente besonders zu mögen. Wohlwissend, dass es der Frau vor allem um Türken geht, sagt sie, im Saarland seien die größten Zuwanderungsgruppen Italiener und Franzosen. Die Frage sei doch, wie die CDU damit umgehe, wenn Menschen zunehmend in Loyalitätskonflikte gestürzt würden, indem sie sich für einen Pass entscheiden sollen, obwohl doch beide Länder ihre Heimat seien. Bei Türken würden zugeschüttete Gräben gerade wieder aufgerissen. Sie wolle verhindern, dass sie von Ankara instrumentalisiert würden. Über Rumänen höre sie häufig Klagen, da habe ein anderer Fragesteller Recht, der davon spricht, dass sich "jede Menge Rumänen in unsere Sozialsysteme einschleichen". Aber ein Großteil der Pfleger in Deutschland seien Kräfte aus Rumänien oder Bulgarien, betont Kramp-Karrenbauer. "Das ist die andere Seite der Medaille. Klar ist aber: Das muss in einem Grundsatzprogramm geklärt werden."

Viele offene Fragen

Es muss viel geklärt werden in der CDU. Seit den Verlusten bei der Bundestagswahl sucht die Partei nach Halt und Orientierung, die unter Merkel teilweise verloren gingen. Viele bewundern Kramp-Karrenbauer dafür, dass sie ihr Amt als Regierungschefin für den Parteiposten aufgegeben hat. Ein Risiko, denn niemand weiß, ob sie Erfolg haben wird. Aber viele sind sicher, dass sie dieses Ziel hat: Merkels Nachfolge anzutreten. Kramp-Karrenbauer sagt dazu nichts. Sie erklärt, ihr Ziel sei: Ein Grundsatzprogramm "CDU pur", so als habe die Partei die absolute Mehrheit.

An diesem Dienstag ist sie 100 Tage im Amt. Sie hat das Konrad-Adenauer-Haus kräftig umgebaut. Vier von fünf wichtigen Abteilungen haben eine neue Führung bekommen. Hierarchien werden abgebaut. In der jüngeren Vergangenheit war die CDU-Zentrale eher als eine Außenstelle des Kanzleramts wahrgenommen worden. Aber Merkel hat schon gesagt: Kramp-Karrenbauer habe ihren eigenen Kopf. Die Kanzlerin lässt sie machen.

Weniger arrogant

Zum Schluss meldet sich Martin Voigt, langjähriges CDU-Mitglied. "Was soll diese ganze Parteiarbeit, wenn das am Ende sowieso nichts nutzt", fragt er. Wehrpflicht, Atomenergie, Zuwanderung - alles Themen, über die am Ende nur eine im Hauruck-Verfahren entschieden habe: die Vorsitzende. "Über Nacht, klack weg." Kramp-Karrenbauer sagt: "Der wunde Punkt ist, dass wir in den vergangenen Jahren der Regierung - das ist die normative Kraft des Faktischen - Entscheidungen getroffen haben, die eine Abkehr von bisherigen Positionen bedeuteten, bei der Kernenergie oder der Wehrpflicht zum Beispiel. Ich bin der Überzeugung, dass man auch in der Regierungsarbeit, wenn es das Gebot der Stunde ist, flexibel sein muss. Aber der Partei fehlt die Ableitung, warum wir das so entschieden haben. Es fehlt die Begründung, warum das auch noch CDU ist, wenn wir aus der Kernenergie und Wehrpflicht aussteigen. Warum wir uns weiter von den Grünen und anderen unterscheiden." Als sie schon zur nächsten Station unterwegs ist, sagt Voigt, die neue Generalsekretärin habe ihn nicht völlig überzeugt. Sie sei aber nicht der typische Wessi. Nicht so arrogant.

(kd)
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