Plagiatsvorwürfe gegen Grünen-Kanzlerkandidatin Politikexperte spricht von „Schmutzkampagne“ gegen Baerbock

Berlin · Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, fremde Textpassagen in ihr neues Buch übernommen zu haben. Der Bonner Politik-Experte Frank Decker sagt, die Vorwürfe seien Teil einer „Schmutzkampagne“ und „an den Haaren herbeigezogen“.

  Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin und Direktkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen.

 Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin und Direktkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen.

Foto: dpa/Soeren Stache

Nicht nur im Wahlkampf sind solche Vorwürfe Gift für Spitzenpolitiker: Der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber hält Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vor, in ihrem Buch abgeschrieben zu haben. In einem Blogbeitrag Webers heißt es: „Und wenn man es genau nimmt, handelt es sich auch um mehrere Urheberrechtsverletzungen.“ Die Reaktion der Grünen auf die Plagiatsvorwürfe fiel am Dienstagnachmittag harsch aus. „Das ist der Versuch von Rufmord“, teilte ein Parteisprecher beim Kurznachrichtendienst Twitter mit. Baerbock habe den auf Medienrecht spezialisierten Rechtsanwalt Christian Schertz eingeschaltet.

Baerbocks Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ war am 21. Juni erschienen. Es handelt sich dabei nicht um einen akademischen Text, für den zwingend strenge Standards wissenschaftlichen Arbeitens gelten. Baerbock breitet in dem 240 Seiten umfassenden Buch grüne politische Konzepte aus und verbindet das mit persönlichen Erlebnissen. Fußnoten, mit denen sie auf Quellen verweisen könnte, nutzt sie nicht.

Der Medienwissenschaftler Weber, der sich bereits seit Mai auch mit Ungenauigkeiten im Lebenslauf Baerbocks befasst hat, zählt in seinem Beitrag mehrere Textpassagen mit Parallelen zu anderen Veröffentlichungen auf. Als Beispiele führt Weber unter anderem Beiträge des US-Politikwissenschaftlers Michael T. Klare, der Bundeszentrale für politische Bildung und des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ an.

Der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker bezeichnet die Plagiatsvorwürfe gegen Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock als „Schmutzkampagne“ und „absolute Lappalien“. Was jetzt gegen Baerbock aufgefahren wird, hat Elemente einer Schmutzkampagne. Es handelt sich um absolute Lappalien, um an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe“, sagte Decker unserer Redaktion. „Hier soll schlicht die Glaubwürdigkeit einer Kanzlerkandidatin diskreditiert werden, das ist billig und schmutzig“, sagte Decker. „Die seriösere Konkurrenz von CDU und SPD steigt ja auch nicht darauf ein, wie man sieht, weil es einfach zu plump und durchschaubar wäre. Auch nur ganz bestimmte Medien wie Focus online oder Steingarts Morning Briefing steigen bisher darauf ein. Das kann nicht das Niveau eines Bundestagswahlkampfs sein“, erklärte der bekannte Bonner Politologe. „Ein Kollege versucht mit staatsanwaltschaftlichem Eifer, angebliche Plagiate aufzuspüren“, sagte Decker.

„Baerbocks Buch ist aber kein wissenschaftliches Buch. Leicht nachprüfbare Ereignisse wie etwa die EU-Osterweiterung muss Baerbock in ihrem Buch nicht belegen“, sagte Decker. „Auch Journalisten schreiben solche Bücher und tragen Fakten zusammen, die sie sich von überall her suchen – zum Beispiel auch die Bücher des ,Welt’-Journalisten Robin Alexander“, sagte Decker. „Man muss auch mal die Proportionen wahren: Im Vergleich zu dem, was Olaf Scholz etwa bei Cum-Ex-Geschäften oder Armin Laschet bei verschlampten Uni-Klausuren vorzuwerfen ist, sind die Fehler bei Baerbock Lappalien“, ergänzte er.

Weber versuche, „bösartig“ Baerbocks Ruf zu schädigen, sagte der Grünen-Sprecher. „Bei den beschriebenen Passagen handelt es sich um allgemein zugängliche Fakten oder bekannte Grüne Positionen.“ Anwalt Schertz erklärte in einer von der Grünen-Pressestelle verschickten Stellungnahme: „Ich kann nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen, da es sich bei den wenigen in Bezug genommenen Passagen um nichts anderes handelt, als um die Wiedergabe allgemein bekannter Fakten sowie politischer Ansichten.“ Auch der Ullstein-Verlag, bei dem das Buch erschienen war, verwahrte sich gegen die Vorwürfe.

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