Außenministerin Baerbock in Äthiopien Eine Lagerhalle voll mit Hoffnung

Addis Abeba · Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) besucht das bitterarme Äthiopien und will mit französischer Assistenz den fragilen Frieden stützen. Es ist eine schwierige Mission.

Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen), Außenministerin, besucht ein Getreidelager des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) neben dem Landesdirektor von Äthiopien Claude Jibidar.

Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen), Außenministerin, besucht ein Getreidelager des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) neben dem Landesdirektor von Äthiopien Claude Jibidar.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Annalena Baerbock ist wieder unterwegs – für Frieden in der Welt. Vor zwei Tagen noch war sie in der umkämpften Ostukraine, in der einstigen Millionenstadt Charkiw. Eine Nacht und 5500 Flugkilometer weiter steht die deutsche Außenministerin in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba – neben ihrer französischen Amtskollegin Catherine Colonna. Baerbock und Colonna wollten schon länger miteinander auf Auslandsreise gehen – als sichtbare deutsch-französische Achse. Beide Ministerinnen haben ihre Terminkalender und Reisepläne übereinanderlegen lassen. Hat geklappt. Treffpunkt Addis Abeba. Baerbock reiste aus Berlin an, Colonna kam aus Paris. Dazu passt, dass in Kürze am 22. Januar der Elysée-Vertrag über deutsch-französische Zusammenarbeit seine Unterzeichnung vor 60 Jahren feiert. Dafür kann man auch in Addis Abeba die Feststimmung schon einmal anwärmen.

Doch erst einmal starten die beiden Chef-Diplomatinnen am Donnerstag ihre direkte politische Friedensunterstützungsmission für Äthiopien, mit knapp 120 Millionen Menschen der zweitbevölkerungsreichste Staat des afrikanischen Kontinents. Hoffnung auf das Ende der Langzeit-TragödieAber das Land steht nach Krieg und Bürgerkrieg quasi vor dem Bankrott. Und nun plagt auch noch die schwerste Dürre seit 40 Jahren das Horn von Afrika, darunter auch Teile von Äthiopien, wo es in manchen Regionen seit Jahren nicht mehr geregnet hat. Hoffnung gegen ausbleibende Ernten kommt ausgerechnet aus einem anderen Kriegsgebiet. Inzwischen wird sogar wieder Getreide aus der Ukraine – von Präsident Wolodymyr Selenskyj beim G20-Gipfel auf Bali zugesagt – wieder in äthiopischen Häfen entladen, insgesamt 25.000 Tonnen Weizen, die allerdings erst noch verteilt werden müssen.

Auch China hat längst seinen strategischen Fußabdruck nach Äthiopien gesetzt. Überall dort, wo es etwas zu holen gibt, sind Pekings Späher schon da. Hier, wie in anderen Staaten Afrikas, baut China an seiner globalen Seidenstraße auf dem Weg zur Weltmacht – etwa mit der Modernisierung der Eisenbahn zwischen Djibouti und Addis Abeba. Äthiopien steht allein bei China mit 13,7 Milliarden US-Dollar Schulden in der Kreide. Deutschland setzte die Entwicklungshilfe für die Regierung in Addis Abeba wegen des blutigen inneräthiopischen Krieges mit den Rebellen in der Region Tigray aus. Doch nun drängt Äthiopien auf neue Hilfen des Internationalen Währungsfonds. Deutschland vertritt dabei den Standpunkt: Das Geld geht nur dann nach Addis Abeba, wenn die Regierung damit nicht seine Schulden bei China bezahlt.

Wo China ist, muss Europa hellwach sein. Und so betont auch Baerbock, Europa wolle nach dem Friedensabkommen vom vergangenen November zwischen der Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed und der Volksbefreiungsfront von Tigray im Norden Äthiopiens unbedingt Gesicht zeigen. Deutschland, Frankreich und die Europäische Union wollten Äthiopien auf seinem steinigen Weg zu Frieden und Aussöhnung unterstützen. Hin zu Frieden und Demokratie wohl gemerkt für alle Äthiopierinnen und Äthiopier, was in einem Land mit insgesamt 83 verschiedenen Ethnien eine Herausforderung ist. Beobachter sagen, nun gebe es ein „Momentum“, das möglichst nicht verloren gehen dürfe. Äthiopien will sich auf der Weltbühne ungern festlegen, nimmt dankbar Waffenhilfe aus Russland an und enthält sich bei den Vereinten Nationen der Stimme, wenn es etwa darum geht, russische Annexionen von Gebieten in der Ostukraine zu verurteilen. Doch eine Demokratie ist Äthiopien, das lange als Entwicklungsdiktatur galt, noch lange nicht. Nach Einschätzung von Beobachtern steckt es bei Demokratie, Freiheit und Menschenrechten immer noch in den Kinderschuhen.

Baerbock ist am Mittag dann rausgefahren aus der Hauptstadt — nach Adama in Zentraläthiopien, eineinhalb Stunden von Addis entfernt, wo die Vereinten Nationen ein riesiges Getreidelager betreiben. Platz für 218.000 Tonnen Korn aus der Welt. Weizen für die Ärmsten in einer Jahrhundert-Dürre. Auch aus der Ukraine. Baerbock und Colonna hören von der Not im Land, auch davon, dass Hilfstransporte, die in normalen Zeiten in wenigen Stunden Weizen und hochkonzentriertes Pulver für Kleinkinder an ihr Ziel bringen, derzeit sogar Wochen brauchen, weil die Transporte überfallen werden. „Geschenk aus der Ukraine — vom ukrainischen Volk“ steht auf den Getreidesäcken, dazu die blau-gelbe ukrainische Flagge aufgedruckt. Baerbock blickt auf die gestapelten Getreidesäcke. Ein einziger Sack ernähre eine äthiopische Familie für zwei Monate. Wenn die Hilfe denn ankommt.

Baerbock und Colonna betonen, Kreml-Herrscher Wladimir Putin setze „Getreide als Waffe“ ein. Vor allem müsse das Schwarze Meer und der Transport aus ukrainischen Häfen offenbleiben, was Putin zunächst blockiert habe. Für offene Seewege setze sich Europa ein. Neben Krieg wirkten zeitgleich auch noch Klimakrise und Hungerkrise. Colonna sagt schließlich: „Putin hat die Wahl. Er kann den Krieg beenden.“ Bis es soweit ist, wollen Baerbock, Colonna und ihre europäischen Mitstreiter weiter Zehntausende Tonnen Getreide ans Horn von Afrika bringen. Die Französin reicht den Mitarbeitern des Welternährungsprogramms in Adama die Hand: „Herzlichen Glückwunsch. Lassen Sie uns zusammenarbeiten.“ Die Ministerinnen blicken hoch in Richtung Hallendecke, bis wohin sich die Säcke stapeln. Getreide für die Welt. Und die Welt hier hat Hunger.

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