Ermittlungen im Fall Amri Vorwürfe gegen Berliner LKA — alle Fakten, alle offenen Fragen

Berlin · Im Fall Amri ermittelt eine Behörde gegen die eigenen Leute. Der Vorwurf: Beamte des Landeskriminalamts könnten Nachlässigkeiten bei den Ermittlungen gegen den Terroristen verschleiert haben. Innenminister Geisel erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Im Fall Amri ermittelt eine Behörde gegen die eigenen Leute. Der Vorwurf: Beamte des Landeskriminalamts könnten Nachlässigkeiten bei den Ermittlungen gegen den Terroristen verschleiert haben. Innenminister Geisel erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Sie hätten den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vielleicht verhindern können. Im Dezember war der Tunesier Anis Amri mit einem Lkw auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast, zwölf Menschen starben, 67 wurden verletzt. Nun stehen Berliner Polizisten im Verdacht, sie hätten, als klar wurde, dass sie den Anschlag hätten verhindern können, Dokumente manipuliert und ihren Fehler vertuscht. Das ist die Theorie, die der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch öffentlich machte — und die fünf Monate nach dem Attentat eine ganz neue Dimension von Behördenversagen eröffnen könnte.

Was wir wissen:

  • Fest steht: Die Berliner Landesregierung erstattete Anzeige gegen Mitarbeiter des eigenen Landeskriminalamts (LKA) - wegen Verdachts auf Strafvereitelung im Fall des bislang gravierendsten islamistischen Terroranschlags auf deutschem Boden.
  • Innensenator Geisel sagt dazu: Man hätte Amri Wochen vor seinem Attentat wohl wegen gewerblichen Drogenhandels verhaften können. "Auf der Basis einer Verhaftung hätte womöglich dieser Anschlag verhindert werden können."
  • Laut Innenministerium hatten die Beamten nach Telefon-Überwachungen Belege dafür, dass Amri gewerblich mit Drogen handelte. Es hätte wohl für einen Haftbefehl gereicht. Doch die Polizisten schätzten Drogengeschäfte wohl als nicht relevant ein - suchten sie doch islamistische Terroristen. Ein schwerer Fehler, wie im Nachhinein klar wurde.
  • Seit Mittwoch ermittelt die Berliner Innenbehörde quasi in den eigenen Reihen. Gegen mehrere Mitarbeiter des LKA laufen Disziplinarmaßnahmen. Es könnte für sie noch deutlich schlimmer kommen. Doch vor einer möglichen Suspendierung will man die Kollegen zu Wort kommen lassen.

Was wir nicht wissen:

  1. Vieles in dem Fall ist bisher noch Spekulation: Die Berliner Innenverwaltung vermutet, die Beamten hätten den Vermerk, der ihnen diesen Fehler nachwies, absichtlich nachträglich verändert haben können. Aus gewerblichem Drogenhandel wurde demnach in dem Papier Kleinsthandel, eine Bagatelle, die keine Festnahme gerechtfertigt hätte. Das Ur-Dokument mit den schweren Vorwürfen tauchte erst jetzt wieder auf. Er habe weiter Vertrauen in die Behörde, sagt der Innensenator Geisel. Doch er droht auch: "Sollte im LKA irgendwas verschleiert worden sein, werden wir das aufklären und Konsequenzen ziehen."
  2. Hat die Angst vor Konsequenzen als Folge ihrer Nachlässigkeit schon damals das Handeln der Polizisten bestimmt? In der öffentlichen Debatte wurde nach dem Attentat überall - in Berlin, im Düsseldorfer Landtag, im Bundestag - nach Schuldigen gesucht. Ermittlungsfehler und Inkompetenz standen und stehen noch im Mittelpunkt der Aufarbeitung.
(vek/lnw)
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