„Riesenversäumnis“ bei Ermittlungen Behörden gingen Hinweis auf flüchtenden Attentäter Amri nicht nach

Berlin · Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist nach der Flucht des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri einem möglicherweise entscheidenden Hinweis aus Frankreich nicht nachgegangen.

 Polizisten und Rettungskräfte stehen vor der Gedächtniskirche in Berlin (Archivbild).

Polizisten und Rettungskräfte stehen vor der Gedächtniskirche in Berlin (Archivbild).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Wie aus Unterlagen hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, rief knapp drei Tage nach dem Anschlag - am frühen Morgen des 22. Dezember 2016 - ein Mann beim Verfassungsschutz an und berichtete, Amri gesehen zu haben. Dieser sei am Vorabend - am 21. Dezember gegen 22.00 Uhr - auf einem Parkplatz in Frankreich gewesen.

Amri habe in einem Auto gesessen und ihn nach dem Weg nach Lyon gefragt. Später habe er dann „die Fahndungsfotos des Amri in der Zeitung gesehen und sei sich sehr sicher, darauf den Gesuchten Amri erkannt zu haben“, heißt es in einem Vermerk der Behörde. Der Hinweisgeber, der eine spanische Festnetznummer angab, wurde von dem Beamten, der den Anruf entgegennahm, als „glaubwürdig“ eingeschätzt. Trotzdem leitete der Verfassungsschutz den Hinweis erst fünf Tage später - am 27. Dezember - an das Bundeskriminalamt weiter. Da war Amri schon in Italien von der Polizei erschossen worden.

Eine Rekonstruktion der Fluchtroute des islamistischen Attentäters zeigt, dass Amri am 21. Dezember um 20.49 Uhr an einem Bahnhof in Brüssel war. Danach verliert sich seine Spur. Am 22. Dezember tauchte er in Lyon auf.

Der abgelehnte Asylbewerber hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagenfahrer erschossen, war mit dem gekaperten Lastwagen über den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gerast und hatte so elf weitere Menschen getötet.

Die Grünen-Obfrau im Untersuchungsausschuss des Bundestages zu Behördenfehlern rund um den Anschlag, Irene Mihalic, sprach von einem „Riesenversäumnis“. Schließlich hätte Amri auch ein zweites Mal zuschlagen können. „Entweder es war eine schlimme Panne oder man muss von einer bewussten Entscheidung des BfV ausgehen, die Information nicht weiterzugeben“, sagte sie.

(zim/dpa)
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