Wirtschaftskrise Angst vor sozialen Konflikten wächst

Düsseldorf (RPO). Heute wird das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute vorgestellt: Die deutsche Wirtschaft soll um sechs Prozent schrumpfen. Angesichts dieser drastischen Zahlen befürchten DGB-Chef Sommer und jetzt auch die SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan, soziale Unruhen. Bereits auf der Continental-Hauptversammlung könnte es zu Ausschreitungen kommen.

Gewaltsame Proteste in der Wirtschaftskrise
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Gewaltsame Proteste in der Wirtschaftskrise

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Die Hauptversammlung des hoch verschuldeten Autozulieferers Continental droht ungemütlich zu werden: Tausende Beschäftigte wollen gegen die von der Konzernspitze beschlossene Schließung der Lkw-Reifenwerke in Hannover-Stöcken und im französischen Clairoix protestieren. Dabei werden die deutschen Arbeitnehmer von ihren französischen Kollegen unterstützt. Die dürften streik- und demonstrationserprobt sein. In Clairoix gab es bereits Ausschreitungen und Verwüstungen in Büros.

In Frankreich kommt es schließlich vergleichsweise häufig zu Generalstreiks und Großdemonstrationen. Ähnliche, wenn nicht gar schlimmere Verhältnisse erwartet Gesine Schwan. Die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt sorgt mit ihren Äußerungen über soziale Unruhen für Aufsehen. Sie könne sich vorstellen, dass in zwei bis drei Monaten die Wut der Menschen deutlich wachsen könnte, sagte Schwan dem "Münchner Merkur".

Explosive Stimmung

Dann würden "abfedernde Maßnahmen" wie das Kurzarbeitergeld auslaufen. "Wenn sich dann kein Hoffnungsschimmer auftut, dass sich die Lage verbessert, dann kann die Stimmung explosiv werden", sagte Schwan dem Blatt. Schließlich gebe es seit Jahren in Deutschland ein Unbehagen über die wachsende soziale Kluft.

Bereits am Mittwoch hatte DGB-Chef Michael Sommer vor Unruhen wie in den 1930er Jahren gewarnt. Das prognostizierte Schrumpfen der Wirtschaft um bis zu sechs Prozent sei vergleichbar mit den Zahlen aus den Jahren der Wirtschaftskrise 1930, 1931 und 1932, sagte Sommer in der ARD-Sendung "hart aber fair". Möglicherweise würden sich Menschen jetzt von der Politik abwenden oder radikalisieren.

Daher müsse alles getan werden, um die Beschäftigung zu sichern, forderte Sommer. Im Unterschied zu Krisen der vergangenen Jahre erfasse die Rezession jetzt nicht mehr nur Randbereiche der Gesellschaft, sondern auch Arbeiter, Angestellten und den Mittelstand. Der Schraubenfabrikant Reinhold Würth sagte in der "Heilbronner Stimme": "Ich hoffe nicht, dass wir bürgerkriegsähnliche Unruhen bekommen. Aber die Situation ist ernst." Die Bürger hätten die Dimension der Krise noch gar nicht realisiert.

Kritik an Sommer

Es gibt aber auch mäßigende Stimmen. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, nannte Sommers Äußerung verantwortungslos. "Viele Menschen machen sich zwar Sorgen", sagte Driftmann der "Passauer Neuen Presse". Die Unruhe im Land sei nicht so groß, wie es mancher bei den Gewerkschaften herbeirede. "Ich rate Herrn Sommer dringend, mit Begriffen wie 'sozialen Unruhen' nicht leichtfertig umzugehen. Der Chef des DGB sollte sich verantwortungsvoller äußern und nicht zündeln", sagte Driftmann.

Der Berliner Protestforscher Dieter Rucht hält die Warnungen für unbegründet. "Bei Massenentlassungen werden wohl die unmittelbar Betroffenen auf die Straße gehen. Das bedeutet aber nicht, dass die Arbeiterschaft generell zu mobilisieren ist", sagte Rucht dem "Münchner Merkur". Viele würden sich von solchen Protesten nicht mitziehen lassen.

Die Stimmung in Deutschland sei zwar angespannt. Gleichwohl sei die Protestbereitschaft eher niedrig - in der unübersichtlichen Krise fehlten sowohl ein klares Ziel als auch eine präzise Forderung. Eine stabilisierende Wirkung habe sicher die Große Koalition.

Andere Demonstrationskultur

Zudem sei es ein Vorteil, dass Deutschland über eine andere Demonstrationskultur verfüge als etwa Frankreich: Komme es dort zu Kundgebungen, "werden diese häufig begleitet von Blockaden oder Ausschreitungen". Das sorge für Schlagzeilen und präge unsere Wahrnehmung.

In Deutschland dagegen werde viel häufiger demonstriert, aber eher unauffällig und in kleineren Gruppen. Allein in Berlin würden jedes Jahr 2.300 Demonstrationen angemeldet. "Der Effekt: Die Luft wird schon früh aus dem Kessel gelassen. Dadurch sinkt der Druck und es staut sich nicht soviel Ärger auf wie in Frankreich, wo er sich explosionsartig entlädt".

(DDP)
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